Leitsatz (amtlich)
Der Betreuer der Vorerbin, den der Erblasser selbst zum Nacherben bestimmt hat, ist nicht gehalten, die Vorerbschaft auszuschlagen, damit die Vorerbin einen ihr dann zustehenden Pflichtteil verlangen kann, der dann nach ihrem Tode wiederum ihrer Erbin zu Gute kommt.
Normenkette
BGB §§ 1833, 1908i, 1944, 1952, 2306
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 016 O 71/16) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.08.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht als Alleinerbin der am 00.00.2015 verstorbenen Frau C im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche nach deren am 00.00.2015 vorverstorbenen und vom Beklagten beerbten Ehemann, Herrn Prof. Dr. C2 (im Folgenden: Erblasser), geltend. Hilfsweise stützt sie ihr Begehren auf eine behauptete Pflichtverletzung des Beklagten als gesetzlicher Betreuer der Frau C.
Die im gesetzlichen Güterstand lebenden Eheleute C/C2 setzten sich mit eigenhändig errichtetem gemeinschaftlichem Testament vom 13.04.2008 gegenseitig als Alleinerben und die Klägerin, eine Großnichte der Frau C, als Schlusserbin ein. Die am 00.00.1940 geborene Frau C litt schon zu diesem Zeitpunkt jedenfalls im Anfangsstadium an einer fortschreitenden Alzheimererkrankung. Der am 00.00.1930 geborene Erblasser kümmerte sich in der Folgezeit auf der Grundlage zweier Vorsorgevollmachten vom 19.03.2005 und 07.09.2005 um ihre Angelegenheiten.
Mit Schreiben vom 20.03.2013 regte der Erblasser die Einrichtung einer Betreuung für sich selbst und für seine Ehefrau an, da er sich aufgrund seiner nachlassenden physischen und psychischen Kräfte nicht mehr in der Lage sah, seine eigenen Angelegenheiten und die Angelegenheiten seiner Frau selbständig zu regeln. Als Betreuer für sich und seine Ehefrau schlug er den mit ihm befreundeten Beklagten vor. Im Mai 2013 wurde der Beklagte daraufhin zum Betreuer sowohl für den Erblasser als auch für dessen Ehefrau bestellt.
Mit notarieller Urkunde vom 12.11.2013 erklärte der zu diesem Zeitpunkt unstreitig geschäfts- und testierfähige Erblasser gegenüber seiner Ehefrau den Widerruf seiner in dem gemeinschaftlichen Testament vom 13.04.2008 enthaltenen Verfügungen. Eine Ausfertigung des Widerrufs wurde dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Betreuer der zu diesem Zeitpunkt unstreitig geschäfts- und testierunfähigen Ehefrau des Erblassers am 18.11.2013 zugestellt.
Mit notariellem Testament vom 22.11.2013 setzte der Erblasser seine Ehefrau als Vorerbin und den Beklagten und dessen Ehefrau als Nacherben ein. Auf Anregung des Beklagten ordnete das Betreuungsgericht am 27.12.2013 eine Ergänzungsbetreuung mit dem Aufgabenkreis "Wahrung der Rechte der Betroffenen in Bezug auf den Testamentswiderruf" an und bestellte Frau Rechtsanwältin X in D zur Ergänzungsbetreuerin. In dieser Eigenschaft erhielt sie am 26.05.2014 eine zweite Ausfertigung der Widerrufserklärung vom 13.04.2013 zugestellt.
Am 07.08.2014 adoptierte der Erblasser im Alter von 84 Jahren den Beklagten. Am 00.00.2015 starb der Erblasser. Am 16.04.2015 wurde das notarielle Testament vom 22.11.2013 eröffnet und aufgrund der Verfügung des Nachlassgerichts vom 23.04.2015 der Ehefrau des Erblassers zu Händen des Beklagten als ihrem Betreuer sowie dem Beklagten und seiner Ehefrau bekannt gegeben.
Am 00.00.2015 starb die Ehefrau des Erblassers. Am 24.07.2015 wurde das gemeinschaftliche Testament der Eheleute C/C2 vom 13.04.2008 eröffnet und aufgrund einer Verfügung des Nachlassgerichts vom gleichen Tag dem Beklagten und seiner Ehefrau bekannt gemacht. Aufgrund einer Verfügung des Nachlassgerichts vom 05.08.2015 erfolgte auch die Bekanntmachung des gemeinschaftlichen Testamentes an die Klägerin.
Die Ehefrau des Beklagten schlug die Nacherbschaft mit Erklärung zu Protokoll des Amtsgerichts Coesfeld vom 08.09.2015 aus. Am 09.09.2015 erfuhr die in B lebende Klägerin durch ein Telefax des Beklagten von dem Testament des Erblassers vom 22.11.2013. Mit am 13.11.2015 beim Amtsgericht Coesfeld eingegangenem, öffentlich beglaubigtem Schreiben vom 29.10.2015 schlug die Klägerin als Erbin der Ehefrau des Erblassers deren Einsetzung als Vorerbin durch das Testament vom 22.11.2013 aus.
Mit ihrer Stufenklage hat die Klägerin den Beklagten auf erster Stufe auf Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses über den Nachlass des Erblassers zum Todeszeitpunkt und Zahlung eines Viertels des Wertes des Nachlasses in Anspruch genommen.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe die Vorerbschaft der Ehefrau des Erblassers gemäß dem Testament vom 22.11.2013 als deren Erbin wirksam ausgesc...