Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlagung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frist zur Ausschlagung des Erbteils beginnt gemäß § 1922 Abs. 2, § 1944 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt, aber nicht vor Eröffnung des Testaments und der Kenntnis hiervon.
2. Ist der Erbe geschäftsunfähig, kommt es für den Beginn der Ausschlagungsfrist auf die Kenntnis ihres gesetzlichen Vertreters an.
Normenkette
BGB § 1922 Abs. 2, § 1944 Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 09.01.1997; Aktenzeichen 6 T 6901/96) |
AG Wolfratshausen (Aktenzeichen VI 425/95) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 9. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 3 hat die dem Beteiligten zu 5 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 250.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser starb 1995 im Alter von 88 Jahren. Er hinter- ließ seine Ehefrau, die Beteiligte zu 1, und zwei Kinder, die Beteiligten zu 2 und 3. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1 hatten keinen Ehevertrag geschlossen. Die Beteiligte zu 2 steht wegen einer schweren geistigen Behinderung unter Betreuung; nach dem im Betreuungsverfahren erstellten
Gutachten ist die Beteiligte zu 2 geschäftsunfähig. Zur Betreuerin für die Aufgabenkreise Vermögensverwaltung, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vertretung gegenüber Behörden ist die Beteiligte zu 4 bestellt.
Der Erblasser errichtete am 3.1.1977 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, in dem er als Erben die Beteiligten zu 1 und 3 zu je 437/1000 und die Beteiligte zu 2 zu 126/1000 seines Nachlasses einsetzte. Für den Erbteil der Beteiligten zu 2 ordnete er Testamentsvollstrek-kung an. Am 27.12.1982 fügte er an das Testament den eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Zusatz an, daß der Testamentsvollstrecker von der Beteiligten zu 1 bestimmt wird. Außerdem traf er im Testament vom 3.1.1977 umfangreiche Regelungen für die Nachfolge bezüglich seiner Beteiligungen an verschiedenen Gesellschaften.
Mit Schreiben vom 13.6.1995 regte die Beteiligte zu 4 beim Vormundschaftsgericht an, eine Regelung für die Vertretung der Beteiligten zu 2 im Nachlaßverfahren des Erblassers zu treffen. Mit Beschluß vom 4.8.1995 übertrug das Vormundschaftsgericht diesen Aufgabenkreis der Beteiligten zu 4.
Das Testament des Erblassers wurde am 23.6.1995 vom Nachlaßgericht ohne Ladung der Beteiligten eröffnet. Mit notarieller Urkunde vom 9.7.1995 beantragten die Beteiligten zu 1 und 3 die Erteilung eines Erbscheins aufgrund des Testaments. Außerdem bestimmte die Beteiligte zu 1 darin den Beteiligten zu 6 zum Testamentsvollstrecker für den Erbteil der Beteiligten zu 2. Mit Verfügung des Nachlaßgerichts vom 25.8.1995 wurden der Beteiligten zu 4 als Betreuerin der Beteiligten zu 2 Kopien des Testaments und des Erbscheinsantrags übersandt. Die Beteiligte zu 4 regte am 31.8.1995 beim Vormundschaftsgericht an, den Beteiligten zu 5 als weiteren Betreuer für das Nachlaßverfahren zu bestimmen, weil sie sich wegen der schwierigen erbrechtlichen Fragen hierzu nicht in der Lage sehe. Daraufhin entzog das Vormundschaftsgericht mit Beschluß vom 9.10.1995 der Beteiligten zu 4 den Aufgabenkreis der Vertretung im Nachlaßverfahren des Erblassers und betraute hiermit den Beteiligten zu 5. Am 16.11.1995 schlug der Beteiligte zu 5 gegenüber dem Nachlaßgericht für die Beteiligte zu 2 die Erbschaft aus und beantragte zugleich beim Vormundschaftsgericht die Genehmigung der Ausschlagung. Mit Beschluß vom 24.11.1995, der dem Nachlaßgericht am 28.11.1995 zuging, genehmigte das Vormundschaftsgericht die Ausschlagung.
Am 14.10.1996 wies das Nachlaßgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 3 zurück, weil der Beteiligte zu 5 für die Beteiligte zu 2 wirksam den Erbteil aufgrund Testaments ausgeschlagen habe. Hiergegen legte der Beteiligte zu 3 Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluß vom 9.1.1997 zurückgewiesen hat. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 3 seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins an die Beteiligten zu 1 bis 3 aufgrund des Testaments des Erblassers weiter, weil nach seiner Auffassung die Beteiligte zu 2 ihren Erbteil nicht wirksam ausgeschlagen habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist zulässig. Seine Beschwerdeberechtigung folgt schon daraus, daß seine Erstbeschwerde zurückgewiesen wurde (§§ 20, 29 Abs. 4 FGG; BGH FamRZ 1989, 603; BayObLGZ 1986, 118/120; Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 27 Rn. 10).
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Beteiligte zu 4 als Betreuerin der Beteiligten zu 2 habe erst Ende August 1995 durch die Mitteilung des Nachlaßgerichts über die Testamentseröffnung und die Übersendung der Testamentskopien die für den Beginn der Ausschlagungsfrist erforderliche Kenntnis erlangt. Seit der Erklärun...