Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung eines volljährigen Kindes zur Verwertung seines Vermögensstamms im Rahmen des Zumutbaren
Leitsatz (amtlich)
1. Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen, insb. wenn das Existenzminimum von 135 % des Regelbetrages nicht erreicht ist, kann das Kind mit der Abänderungsklage auch dann Erhöhung des titulierten Unterhalts verlangen, wenn die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % nicht erreicht ist.
2. Grundsätzlich ist das volljährige Kind verpflichtet, seinen Vermögensstamm im Rahmen des Zumutbaren zu verwerten, bevor es seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nimmt. Hier: Zumutbarkeit gegeben. Kind verfügt über ein Sparvermögen von rund 15.000 EUR. Für Unterhalt werden in den nächsten zwei Jahren rund 4.000 EUR benötigt.
Normenkette
BGB § 1602 Abs. 2, § 1603 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
AG Ahlen (Urteil vom 16.12.2005; Aktenzeichen 12 F 29/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16.12.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Ahlen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das durch Zustellung am 19./21.4.2005 verkündete Versäumnisurteil des AG Ahlen wird aufrecht erhalten, soweit der Beklagte unter Abänderung des Anerkenntnisurteils des AG Ahlen vom 1.6.1999 - Az. 12 F 18/99 AG Ahlen - verurteilt worden ist, wie folgt Unterhalt an die Kläger zu zahlen:
1. an den Kläger zu 1):
- für die Zeit von August 2004 bis Dezember 2004 monatlich 266 EUR;
- für die Zeit von Januar 2005 bis Juni 2005 monatlich 262 EUR;
- für die Zeit vom 1.7.2005 bis zum 13.8.2005 monatlich 271 EUR;
2. an die Klägerin zu 2):
- für die Zeit von August 2004 bis Dezember 2004 monatlich 260 EUR;
- für die Zeit von Januar 2005 bis Juni 2005 monatlich 261 EUR;
- ab Juli 2005 monatlich 270 EUR.
Die weitergehende Abänderungsklage wird unter Aufhebung des am 19./21.4.2005 verkündeten Versäumnisurteils abgewiesen, ebenso die Leistungsklage des Klägers zu 1) für die Zeit ab dem 14.8.2005.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der 1. Instanz werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten tragen: der Beklagte 25 %, der Kläger zu 1) 60 % und die Klägerin zu 2) 15 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten werden dem Kläger zu 1) zu 60 % und der Klägerin zu 2) zu 15 % auferlegt.
Der Beklagte hat 62 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) und 4 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) zu tragen. Im Übrigen trägt jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1) zu 74 % und die Klägerin zu 2) zu 26 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger sind die Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Abänderung des durch Anerkenntnisurteil des AG Ahlen vom 11.6.1999 titulierten Unterhalts. Im Einzelnen Hegt Folgendes zugrunde:
Die Klägerin zu 2) ist am 3.4.1992 geboren, der Kläger zu 1) am 14.8.1987 und damit seit dem 14.8.2005 volljährig. Der Beklagte, der als angestellter Versicherungsvertreter für die Debeka arbeitet und ein Grundgehalt sowie Provisionen bezieht, hat sich durch Anerkenntnisurteil vom 11.6.1999 verpflichtet, an seine Kinder ab Juli 1999 wie folgt Unterhalt zu zahlen:
- an den Kläger zu 1) mtl. 493 DM (Einkommensgruppe 4, Altersstufe 3 der ab dem 1.7.1999 gültigen Tabelle: 618 DM./. 125 DM Kindergeldanteil)
- an die Klägerin zu 2) mtl. 389 DM (Einkommensgruppe 4, Altersstufe 2 der bis zum 30.6.2009 gültigen Tabelle: 514 DM./. 125 DM).
Im vorliegenden Verfahren haben die Kläger geltend gemacht, der Beklagte verfüge über ein um berufsbedingte Kosten bereinigtes Nettoeinkommen von 1.696 EUR. Damit falle er in Einkommensgruppe 3 und schulde wegen des Aufrückens der Klägerin zu 2) in die dritte Altersstufe und wegen der Anhebung der Tabellenbeträge höheren als den bisher titulierten Unterhalt.
Sie haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie ab August 2004 Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 114 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe abzgl. des anteiligen Kindergeldes zahlen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages übersteige.
Gemäß diesem Antrag hat das AG am 11.4.2005 im schriftlichen Verfahren ein Versäumnisurteil erlassen, das den Parteien am 19. bzw. 21.4.2005 zugestellt worden ist. Dagegen hat der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt. Nachdem das AG darauf hingewiesen hatte, dass die Zahlungspflicht des Beklagten ggü. dem Kläger zu 1) auf Grund der durch das Versäumnisurteil vorgenommenen Abänderung mit Eintritt der Volljährigkeit am 14.8.2005 ende, hat dieser geltend gemacht, der Beklagte sei auch danach weiterhin allein unterhaltspflichtig. Er besuche bis Juli 2006 eine allgemeinbildende Schule. Zwar sei sein Bedarf ab Volljährigkeit grundsätzlich aus den zusammengerechneten Einkünften beider Eltern zu entnehmen, seine Mutter, die selbständig einen Friseursalon betreibe, verfüge aber nur über ein anrechenbares Einkommen Von 405 EUR pro Monat und sei demnach nicht leistungsfähig. Also bemesse sich ...