Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erwerbsobliegenheit der 62-jährigen Ehefrau; Berücksichtigung freiwilliger Zahlungen an den Sohn
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer 62 Jahre alten unterhaltsberechtigten Ehefrau ist eine Erwerbstätigkeit nach 28 Ehejahren weder zumutbar noch möglich. Fiktive Einnahmen werden ihr nicht zugerechnet. Dies gilt auch dann, wenn sie eine langjährige Tätigkeit gegen den Willen des Unterhaltsverpflichteten bereits zwei Jahre vor der Trennung der Parteien gekündigt hat.
2. Eine die ehelichen Lebensverhältnisse prägende Unterhaltszahlung des Unterhaltsverpflichteten an den gemeinsamen volljährigen studierenden Sohn wird in Höhe des tatsächlichen Unterhaltsanspruchs bei der Berechnung des Trennungsunterhalts berücksichtigt. Keine Berücksichtigung findet die darüber hinausgehende freiwillige Leistung des Unterhaltsverpflichteten.
Normenkette
BGB § 1361 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Soest (Urteil vom 15.12.2006; Aktenzeichen 17 F 171/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.12.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Soest geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin monatlichen Unterhalt i.H.v. 689,58 EUR für die Monate von März 2006 bis einschließlich September 2007 sowie monatlichen, im voraus fälligen Unterhalt ab Oktober 2007 i.H.v. 1.306,22 EUR zu zahlen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Ihr steht ein ggü. der angefochtenen Entscheidung erhöhter Unterhalt zu, weil bei der Bedarfsbemessung nach § 1361 Abs. 1 BGB zugunsten der Klägerin von einem höheren Einkommen des Beklagten und einem niedrigeren Einkommen der Klägerin auszugehen ist.
Das Einkommen des Beklagten ist mit mindestens 3.064,26 EUR anzusetzen, dasjenige der Klägerin mit 372,51 EUR. Die Differenz beträgt 2.691,75 EUR, wovon der Klägerin 50 % zustehen. Dieser Betrag überschreitet den Antrag.
1. Der Beklagte bezog ausweislich der Dezember-Abrechnung 2006 mit kumulierten Jahreswerten ein Jahreseinkommen i.H.v. brutto 54.774,27 EUR und netto 29.758,54 EUR, monatlich somit i.H.v. 2.479,88 EUR.
Nach Abzug des Nettoarbeitgeberanteils an den vermögenswirksamen Leistungen von 15 EUR verbleiben 2.464,88 EUR. Zu addieren ist die im Jahre 2006 bezogene Steuererstattung i.H.v. 4.908,23 EUR mit einem Monatsbetrag von 409,02 EUR, so dass sich 2.873,90 EUR ergeben. Abzuziehen von diesem Einkommen sind insgesamt 76,15 EUR, die der Beklagte für Grundsteuern, Gebäudeversicherung und Hausratsversicherung zu zahlen hat sowie der Unterhalt für den gemeinsamen Sohn O. Dieser ist mit dem Bedarf eines Studenten mit eigener Wohnung i.H.v. 640 EUR abzgl. des vollen Kindergeldes i.H.v. 154 EUR, mithin mit 486 EUR zu berücksichtigen. Auch wenn der Sohn ggü. der Klägerin unterhaltsrechtlich nachrangig ist, so hat die Unterhaltslast die ehelichen Lebensverhältnisse und somit auch den Bedarf der Klägerin geprägt. Das Rangverhältnis der beiden Unterhaltsansprüche ist hier irrelevant, da es nicht um einen Mangelfall geht.
Soweit der Beklagte zusätzliche Zahlungen an den Sohn erbringt, muss er diese Freigiebigkeit aus seinem Anteil an dem Familieneinkommen zahlen und kann ihn nicht dem Unterhaltsanspruch der Klägerin entgegensetzen.
Das Nettoeinkommen beläuft sich somit auf:
2.873,90 EUR
-76,15 EUR
-486 EUR
2.311,75 EUR
2. Des Weiteren hat der Beklagte Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. monatlich 194,28 EUR.
Dieser Betrag ergibt sich als Durchschnittswert aus den Zinseinnahmen der Jahre 2003 bis 2005, wie sie in den Steuerbescheiden für diese Jahre ausgewiesen sind. Die Gesamtsumme der Zinseinnahmen nach Abzug der entsprechenden Werbungskosten beträgt in den drei Jahren 6.994 EUR, mithin 2.331,33 EUR pro Jahr.
3. Des Weiteren hatte der Beklagte allein im Jahre 2005 Mieteinnahmen i.H.v. monatlich 888,48 EUR, obgleich die Einnahmen in diesem Jahr durch erhebliche Investitionen in die Immobilien des Beklagten geschmälert worden sind. Ausweislich des Steuerbescheides für das Jahr 2005 belief sich der nach Abzug der Investitionen verbleibende Reingewinn auf 6.693 EUR. Der Gewinn ist allerdings höher, weil die im Steuerbescheid ausgewiesene Position Wohnungsabnutzung unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen ist. De facto handelt es sich hierbei um eine Abschreibung auf eine Immobilie, welche der BGH nicht anerkennt, weil Immobilien im Gegensatz zu anderen Gegenständen unter Berücksichtigung der Wertentwicklung des Grundstücks keinen tatsächlichen Wertverlust erlitten. Damit ergibt sich folgende Berechnung der Einnahmen:
Einnahmen Miete und Pacht X Landstraße: 54.369 EUR
Instandhaltungsmaßnahmen: -32.247,42 EUR
Grundsteuer, Wasserversorgung pp. insgesamt: 11.451 EUR
Darlehensrückzahlung: 2.165 EUR
Reingewinn somit: 8.505,58 EUR
Pachteinnahmen Ackerland: 2.937 EUR
Einnahmen Haus B-Wall 32: 9.981 EUR
21.223,58 EUR,
wovon dem Beklagten als Miteigentümer zu ½ 50 % = 10.661,79 EUR im Jahr zustehen. Der Senat ist hier bei der ...