Verfahrensgang

LG Münster (Entscheidung vom 29.01.2008; Aktenzeichen 25 O 25/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.06.2010; Aktenzeichen I ZR 166/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Januar 2008 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Verbotstenor zu 1 a) folgende Passage “und/oder die vorbezeichneten Handlungen durch Dritte begehen zu lassen„ entfällt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerinnen durch Sicherheitsleitung von 150.000,- € abzuwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin zu 1) vertreibt in Deutschland das Arzneimittel Q2, das sie von der Klägerin zu 2) bezieht. Die Beklagte zu 1), deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist, stellt das Mittel Q her und vertreibt es unter bestimmten Bedingungen an Krankenhäuser. Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei Q um ein Arzneimittel oder ein Medizinprodukt handelt.

Q wird im Rahmen der photodynamischen Therapie (in der Folge: PDT) zur Bekämpfung von bestimmten Tumoren eingesetzt. Dazu wird das Mittel intravenös in den Körper des Patienten eingeführt, nachdem es zuvor in einer Salzlösung gelöst worden ist. Durch die Ausbreitung im Körper gelangt die Substanz auch in das Tumorgewebe, wo es angereichert wird. Durch den Einsatz von Laserlicht wird das Q angeregt. Bei der Rückkehr in den Grundzustand überträgt das Q Energie von dem Laserlicht auf den in den Zellen gelösten Sauerstoff. Die Sauerstoffmoleküle werden durch die Energieerhöhung verändert. Der dadurch gebildete Singulettsauerstoff führt dann zu einer Schädigung jedenfalls auch der Mitochondrien in den Zellen. Diese Veränderung führt schließlich zum Absterben der Zelle, ohne dass der genaue Ablauf im Einzelnen geklärt ist. Q verändert sich während der Behandlung dagegen nicht und wird vom Körper unverändert ausgeschieden oder abgebaut.

Mit derselben Therapie arbeitende Photosensitizer wie Q2, Q3 und Q4 sind in Deutschland als Arzneimittel zur Behandlung von bestimmten Tumoren zugelassen.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2001 (Bl. 24) bot der Beklagte zu 2) für die Beklagte zu 1) dem Apotheker V unter streitigen Umständen das Mittel unter Hinweis darauf, dass es als Arzneimittel in Deutschland noch nicht zugelassen sei, für klinische und interne Studien sowie für Therapieversuche an. Er wies dabei darauf hin, dass dem Verkauf des Präparates für solche Zwecke arzneimittelrechtlich nichts im Wege stehe. Er erklärte ferner in dem Schreiben, dass es für Apotheken die Möglichkeit gebe, das Präparat als Chemikalie zu beziehen und nach sorgsamer Prüfung an die Kliniker weiterzugeben. Am Ende des Schreibens führte der Beklagte zu 2) aus, das Präparat stehe in ausreichender Menge zur Verfügung und könne nach entsprechender Anforderung am nächsten Tag eintreffen. Mit Schreiben vom 01. August 2001 (Bl. 273) bat der Zeuge V entsprechend dem Wunsch der Beklagten zu Identifizierungszwecken um Zusendung von Unterlagen von Q "zur Behandlung des Oesophaguscarcinoms". Daraufhin wurden solche Unterlagen an das Krankenhaus, und zwar an den vom Zeugen V benannten Arzt übersandt.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2002 (Bl. 702) bestätigte das Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherung Schleswig-Holstein (im folgenden: LAGA) dem Beklagten zu 2), der auch insoweit für die Beklagte zu 1) handelte, auf dessen schriftliche Bitte vom gleichen Tage (Bl. 766 f.), dass es sich bei Q nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Medizinprodukt der Klasse 3 handele. Die Beklagten betrieben daraufhin die Zertifizierung des Mittels als Medizinprodukt durch die W als Benannte Stelle im Sinne der §§ 3 Nr. 20, 8, 9 MPG, um die Marktfähigkeit für Medizinprodukte zu erreichen. Die W erteilte die erforderliche Bescheinigung am 5. Juli 2002 (Bl. 271). Das LAGA bestätigte den Beklagten mit Schreiben vom 12. August 2002 den Eingang der Anzeige gemäß §§ 25 und 31 MPG und teilte die für das Medizinprodukt vergebene Registriernummer mit. Dagegen kam das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im folgenden: BfArM) in der klarstellenden Stellungnahme vom 28. April 2003 (Bl. 373 ff.) zu dem Ergebnis, dass es sich bei Q um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel handele. An der Einschätzung von Q als Medizinprodukt hielt das LAGA aber nach einer internen Überprüfung mit Schreiben vom 12. November 2003 (Bl. 765) ausdrücklich fest, in dem es die Verkehrsfähigkeit des Präparats bestätigte.

Die Kläger haben behauptet, bei Q handele es sich ebenso wie bei dem weitgehend identischen Mittel Q2 sowie bei Q3 und Q4 zweifelsfrei um ein in der PDT eingesetztes zulassungspflichtiges Arzneimittel. Selbst wenn aber noch Zweifel an der Arzneimitteleigenschaft bestünden, wäre Q jedenfalls nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge