Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitskostenversicherung: Beginn der "Behandlung" mit erster Untersuchung; Behandlungen mehrerer Bereiche des Körpers (hier: Unter- und Oberkiefer)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsfall in der privaten Krankenversicherung beginnt mit der ersten Inanspruchnahme einer ärztlichen Tätigkeit, die durch die betroffene Krankheit verursacht worden ist. Zur "Behandlung" einer Krankheit gehört nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist (Anschluss an BGH, Beschl. v. 17.12.2014, IV ZR 399/14).

2. Wenn im Rahmen der Zahnzusatzversicherung in Ansehung der Behandlung einzelner Zähne (hier: Oberkiefer) Vorvertraglichkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 MB/KK 2009 vorliegt, kann dennoch eine Leistungspflicht des Versicherers für andere Bereiche des Gebisses (hier: Unterkiefer) bestehen.

3. Mit der Regelung in § 2 Abs. 1 MB/KK 2009, dass solche "Versicherungsfälle", die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, vom Deckungsschutz ausgenommen werden, erlegt sich der Versicherer selbst die Beweislast dafür auf, dass der Versicherungsfall schon vor Eintritt des Versicherungsschutzes begonnen hat.

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Urteil vom 02.10.2014)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 02.10.2014 verkündete Urteil der Zivilkammer II des LG Detmold unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.589,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2013 zu zahlen.

Die Klage bleibt im Übrigen abgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 70 % und die Beklagte 30 %. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den beklagten Krankenversicherer mit seiner Klage auf Zahlung zahnärztlicher Behandlungskosten aus einer Zahnersatz-Zusatzversicherung in Anspruch.

Der Kläger beantragte am 04.09.2009 bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau B sowie seinen Sohn S den Abschluss einer privaten Krankenzusatzversicherung nach dem Tarif ZE50. Die im Antragsformular der Beklagten (GA 40 ff.) gestellte (einzige) Gesundheitsfrage

"Ist die zu versichernde Person in zahnärztlicher Behandlung (einschließlich Kieferorthopädie) bzw. wurde zu einer Behandlung geraten oder ein Kostenvoranschlag/Behandlungsplan erstellt?"

verneinten der Kläger bzw. die zu versichernden Personen.

Die Beklagte policierte am 15.09.2009 mit Versicherungsbeginn 01.10.2009 (GA 47 ff.). Es gelten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, bestehend aus den MB/KK 2009 und den Tarifbedingungen für den Tarif ZE50 (GA 55 ff.).

Nachdem der Kläger der Beklagten zwei Rechnungen Dr. med. Z vom 03.07.2012 über 8.384,37 EUR (GA 7 f.) bzw. 894,54 EUR (GA 9), denen zahnärztliche Behandlungen der Ehefrau des Klägers im Zeitraum 16.04. bis 22.06.2012 zu Grunde lagen, zur Erstattung einreichte, trat die Beklagte in die Leistungsprüfung ein. Sie erhielt auf einem von ihr übermittelten Formschreiben den "letzten Befund" des die Ehefrau des Klägers früher behandelnden Zahnarztes, des Zeugen Dr. med. R, vom 23.09.2009. Ferner erhielt die Beklagte drei Heil- und Kostenpläne Dr. med. R vom 12.10.2004, 04.02.2005 und 08.08.2005 (GA 81 ff.). Unterhalb der Unterschriftszeile heißt es in dem Schreiben Dr. med. R, wegen dessen Einzelheiten auf GA 64 f. verwiesen wird:

"Der Pat. wurden über die ganzen Jahre hinweg ZE-Vorschläge gemacht, für den OK eine Kombivers. 1. ne Variante mit Impl. Pat. war auch schon 2x beim Gutachter.

Eine Teilversorgung des UK wurde 2005 angefertigt. Begründet wurde die Ablehnung des ZE mit, kein Geld, möchten erst Zusatzversicherung abschließen."

Die Beklagte lehnte nach Erhalt dieser Unterlagen mit Schreiben vom 13.09.2012 die Erbringung von Leistungen mit der Begründung ab, der Versicherungsfall habe sich vor Vertragsabschluss ereignet, nachdem bereits "vor Antragstellung (...) Behandlungsbedürftigkeit des kompletten Oberkiefers" bestanden habe (GA 10 f.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.08.2013 (GA 13 f.) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 12.09.2013 fruchtlos zur Zahlung auf.

Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 6.210,14 EUR sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 603,93 EUR, jeweils nebst Zinsen begehrt. Mit Schriftsatz vom 30.07.2014 (GA 93) hat der Kläger die Klage hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 1.570,96 EUR zurückgenommen und erstinstanzlich zuletzt in der Hauptsache die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 4.639,45 EUR begehrt. Bei diesem Betrag handelt es sich um 50 % der Beträge ...

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