Leitsatz (amtlich)
Ein Geschädigter verstößt bei der Ermittlung des Restwertes für sein beschädigtes Fahrzeug nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn der beauftragte Sachverständige den Restwert nach den regionalen Markt am Unfallort ermittelt, nachdem der Geschädigte das nicht mehr fahrbereite Unfallfahrzeug dort belassen hat und zur Abwicklung des Schadensfalls auch von dort aus veräußern will. Der Geschädigte ist dann nicht gehalten, das beschädigte Fahrzeug zunächst zu seinem Wohnort zu überführen, um es auf dem dortigen regionalen Markt zu veräußern.
Normenkette
BGB §§ 249, 823; StVG §§ 7, 18
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Klägers zu 1) wird das am 8. November 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Bielefeld teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger zu 1) 827,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung beider Kläger wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in 1. Instanz tragen der Kläger zu 1) 67 %, die Klägerin zu 2) 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 18 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 16 % und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) zu 25 %.
Im Übrigen tragen die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten 1. Instanz selbst.
Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren tragen der Kläger zu 1) 71 %, die Klägerin zu 2) 16 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 13 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 16 %, im Übrigen tragen die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers zu 1) ist nur zu einem geringen Teil begründet, die Berufung der Klägerin zu 2) hat keinen Erfolg.
Dem Kläger zu 1) steht aufgrund des Verkehrsunfalls vom 15.12.2017 gegen 14.30 Uhr im Kreisverkehr auf der F Straße in J, für dessen Folgen die Beklagten dem Grunde nach haften, ein höherer Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 BGB, 115 VVG gegen die Beklagten zu, als ihm das Landgericht zuerkannt hat. Mit Recht macht der Kläger zu 1) mit der Berufung geltend, dass bei der Regulierung seines Fahrzeugschadens nur der Restwert in Abzug zu bringen ist, der dem von ihm erzielten Verkaufspreis für das unfallgeschädigte Fahrzeug entspricht (dazu 1.). Eine höhere Nutzungsausfallentschädigung kann er hingegen nicht verlangen (dazu 2.). Die Berufung der Klägerin zu 2), mit der sie ein höheres Schmerzensgeld erstrebt, ist unbegründet (dazu 3.).
1. Der ersatzfähige Fahrzeugschaden des Klägers beträgt 4.695,12 Euro.
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass das Fahrzeug des Klägers unfallbedingt einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt und der Wiederbeschaffungswert zum Unfallzeitpunkt inklusive Mehrwertsteuer ausweislich des Schadensgutachtens des Ingenieurbüros Boese vom 20.12.2017 8.400,- Euro beträgt. Da der Kläger jedoch vorsteuerabzugsberechtigt ist, steht ihm durch den Vorsteuerabzug ein auszugleichender Vorteil zu, weshalb - bei Differenzbesteuerung - lediglich der Nettobetrag von 8.195,12 Euro berücksichtigungsfähig ist, was auch dem Ansatz der Beklagten zu 2) in ihrer Schadensabrechnung vom 04.01.2018 entspricht.
Von diesem Wiederbeschaffungswert ist als Restwert der vom Kläger zu 1) erzielte Verkaufserlös in Höhe von 3.500,- Euro in Abzug zu bringen. Das von der Beklagten zu 2) eingeholte und mit Schreiben vom 04.01.2018 übermittelte verbindliche Kaufangebot der Firma Automobile K über einen Betrag von 5.150,- Euro brutto findet bei der Bestimmung des Restwerts keine Berücksichtigung.
a) Zwar ist anerkannt, dass die von den Beklagten gemäß § 249 BGB geschuldete Naturalrestitution auch in der Variante der Ersatzbeschaffung dem Gebot der Wirtschaftlichkeit unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.1999 zu VI ZR 219/98, Tz. 22, juris). Daher hat der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen. Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2016 zu VI ZR 673/15, Tz. 8, juris).
Der Geschädigte genügt dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch im allgemeinen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm einge...