Leitsatz (amtlich)

Ein Geschädigter verstößt bei der Ermittlung des Restwertes für sein beschädigtes Fahrzeug nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn der beauftragte Sachverständige bei der Wertermittlung den regionalen Markt vollständig einbezogen und ausgewertet hat und sich dabei auch bei einem - möglicherweise - über den regionalen Markt hinaus gezogenen Radius kein besseres Angebot als das ergeben hat, welches der Geschädigte in der Folgezeit zur Grundlage der Verwertung seines Fahrzeugs gemacht hat (Abgrenzung zu OLG Hamm, Urteil vom 28.09.2018, Az. 9 U 137/16).

 

Normenkette

BGB § 249; StVG § 18 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 2 O 373/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. November 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert.

Die Beklagten bleiben verurteilt, an den Kläger 4.870,99 Euro als Gesamtschuldner nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszins seit dem 30. November 2018 abzüglich am 10. Dezember 2018 gezahlter 980,99 Euro zu zahlen.

Die Beklagten bleiben verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 71,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszins seit dem 30. November 2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagten zu 75 % als Gesamtschuldner. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 7 % und die Beklagten zu 93 % als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Zahlung von restlichem Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 04.08.2018, für den die Beklagte zu 1) als Fahrzeugführerin und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer dem Grunde nach in vollem Umfang haften. Durch den Unfall war das Fahrzeug des Klägers, ein Pkw P ... 000 ..., erheblich beschädigt worden. Der Kläger veräußerte das beschädigte Fahrzeug am 20.08.2018 an die U GmbH und erwarb dort am Folgetag ein Ersatzfahrzeug. Die der Höhe nach im Streit stehende Klageforderung hat der Kläger wie folgt berechnet:

Wiederbeschaffungswert 19.000,00 EUR

Restwert -5.800,00 EUR

Nutzungsausfall + 910,00 EUR

Gutachterkosten + 1.194,82 EUR

Pauschale + 25,00 EUR

Zulassungskosten + 70,99 EUR

Zwischensumme 15.400,81 EUR

darauf vorgerichtlich gezahlt -10.229,82 EUR

Klageforderung 5.170,99 EUR

Die Beklagten haben vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, bei der Abrechnung des Schadens müsse sich der Kläger den Restwert des beschädigten Fahrzeugs nach einem von ihnen unter dem 17.09.2018 eingeholten weiteren Angebot mit 9.990,00 EUR statt mit dem im Schadensgutachten des Klägers ermittelten Betrag von 5.800,00 EUR anrechnen lassen. Zur Begründung haben die Beklagten geltend gemacht, der Schadensgutachter habe den Restwert fehlerhaft ermittelt, da er nicht den regionalen Markt, sondern einen darüber hinaus gehenden Radius von 70 km zugrunde gelegt habe. Der Kläger habe durch die Veräußerung des Fahrzeugs zu dem geringeren Restwert gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.

Nach Klageerhebung hat die Beklagte zu 2) weitere 980,99 EUR auf die Forderungspositionen Nutzungsausfall und Zulassungskosten gezahlt. Die Parteien haben den Rechtsstreit wegen der Zahlung übereinstimmend mit widerstreitenden Kostenanträgen für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.170,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2018 abzgl. am 10.12.2018 gezahlter 980,99 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 142,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2018 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Zahlung des zur Schadensbeseitigung erforderlichen Geldbetrags (§ 249 BGB). Die Beklagten seien verpflichtet, dem Kläger den Wiederbeschaffungsaufwand für das Fahrzeug unter Berücksichtigung des im Schadensgutachten ermittelten Restwertes zu ersetzen. Die Beklagten könnten nicht sich nicht auf eine fehlerhafte Ermittlung des Restwerts berufen. Es komme nicht darauf an, ob der Gutachter die Grenzen des regionalen Marktes zu weit gezogen habe. Die Beklagten hätten schon selber nicht vorgetragen, dass bei der Suche bezogen auf den von ihnen für maßgeblich gehaltenen Umkreis von 40 km ein höheres Restwertangebot erzielbar gewesen wäre. Vor allem aber trage die Argumentation der Beklagten nicht dem Umstand Rechnung, dass dem Geschädigten durch die Beschränkung auf den regionalen Markt ermöglicht werden solle, das Fahrzeug bei einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder bei einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei Erwerb eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung zu geben. Dass die Beklagte zu 2) dem Kläger nach der Veräußerung des Fahrzeugs ein höheres Restwert...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?