Leitsatz (amtlich)

Bei einer Abänderungsklage ist Vorvertraglichkeit nicht gegeben, wenn die Umstände, die die Abänderung des rechtskräftigen Urteils rechtfertigen sollen, nach Vertragsbeginn liegen.

 

Normenkette

ARB 75 § 14

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 167/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.6.2002 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger und seiner Ehefrau, …, im Rechtsstreit …gesellschaft mbH … gegen Eheleute … entstehenden Kosten bezogen auf die erste Instanz im Umfang des § 2 ARB 75 zu tragen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Deckungsschutz aus einer bei ihr abgeschlossenen Rechtschutzversicherung für die Abwehr einer Klage der …gesellschaft mbH … gegen ihn und seine mitversicherte Ehefrau. Versicherungsbeginn war der 20.10.1991. Zugrunde liegen die ARB 75.

Der Kläger fühlte sich bereits seit den 80er Jahren fortlaufend durch den Flughafenbetrieb der Flugplatzbetriebsgesellschaft in der Nutzung seines Grundstückes beeinträchtigt. Im Jahre 1981 erhob er gegen diese Klage auf Unterlassung übermäßigen Fluglärms. Durch Urteil des OLG Hamm vom 8.11.1990 wurde die Flughafenbetriebsgesellschaft … verurteilt, den Flugbetrieb des Verkehrslandeplatzes zeitlich und mengenmäßig wesentlich einzuschränken. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das genannte Urteil (Bl. 1218 ff. in dem dortigen Verfahren) Bezug genommen.

Durch luftaufsichtsrechtliche Genehmigung vom 28.11.1994 wurde der Flughafenbetriebsgesellschaft eine neue, umfangreichere Betriebsgenehmigung erteilt. Auf dieser Grundlage wurde die Start- und Landebahn auf 890 m Länge verlängert. Die bisherige Startbahn wurde nach Westen um 460 m verlängert. Am östlichen Ende, in Richtung des Wohngrundstücks des Klägers, wurde die Landebahn um 100 m verkürzt und versiegelt. Ein Widerspruch gegen die erteilte Genehmigung blieb gem. Bescheid vom 29.4.1996 erfolglos.

Nunmehr begehrt die Flugplatzbetriebsgesellschaft gem. Klageschrift vom 25.10.2000 … Aufhebung des Urteils vom 8.11.1999 und Verurteilung des Klägers und seiner Ehefrau, den uneingeschränkten Betrieb des von ihr geführten Verkehrslandeplatzes im Rahmen der neuen luftaufsichtlichen Genehmigung zu dulden. Die Klage wird damit begründet, dass durch die Verlängerung der Startbahn nach Westen und die Verkürzung im Osten sowie durch wesentlich lärmgeschütztere Flugzeuge keine unzumutbaren Lärmbelästigungen mehr bestünden.

Die Beklagte hat die Gewährung von Rechtschutz für dieses Verfahren wegen Vorvertraglichkeit abgelehnt.

Der Kläger meint, der Versicherungsfall sei wegen der späteren luftaufsichtsrechtlichen Genehmigungen aus 1994/96 erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages eingetreten. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass eine Vorvertraglichkeit vorliege.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil des LG Bielefeld vom 26.1.2002 Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich um fortlaufende, gleichartige Beeinträchtigungen des Nutzungsrechts des Klägers handele, die Teil eines einheitlichen Gefahrverwirklichungsvorganges seien. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren mit der Berufung weiter. Er macht geltend, dass es in dem gegen ihn gerichteten Rechtsstreit allein um neue Umstände ginge, die weit nach dem Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahre 1991 eingetreten seien und dass zum Zeitpunkt des Abschlusses noch nicht mit dem Versuch der Flughafenbetriebsgesellschaft habe gerechnet werden können, eine Aufhebung des Urteils zu erreichen.

Die Beklagte verteidigt das hier angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

II. Die Berufung ist begründet.

Die Beklagte ist zur Gewährung von Rechtschutz verpflichtet. Denn es ist nicht von einer Vorvertraglichkeit der hier für den Eintritt des Versicherungsfalles maßgeblichen Rechtsverstöße auszugehen.

1. Nach § 14 Abs. 3 ARB 75 gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei tatsächliche oder behauptete Verstöße, die länger als 1 Jahr vor Beginn des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis liegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben.

Der Kläger und seine Ehefrau sind seit dem 20.10.1991 bei der Beklagten rechtschutzversichert, so dass unter Berücksichtigung der 3-monatigen Wartefrist Deckung zu gewähren ist für Rechtsverstöße, die nach dem 20.1.1992 liegen.

2. Verstoß ist das Handeln gegen eine – gesetzliche oder vertragliche – Rechtspfl...

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