Leitsatz (amtlich)
›1) Auch in der Unfallversicherung braucht sich ein Versicherungsnehmer, der von der Möglichkeit der Anrufung eines Ärzteausschusses Gebrauch machen kann, nicht auf eine Leistungsklage verweisen zu lassen.
2) Für Gesundheitsbeschädigungen, die Folge eines fehlgeschlagenen Selbstmordes sind, besteht kein Versicherungsschutz nach § 1 AUB.‹
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 15 O 48/97) |
Tatbestand
Der Kläger hat bei der Beklagten eine dynamische Unfallversicherung mit einer Versicherungssumme von 152.000,00 DM bei Invalidität abgeschlossen. Wegen der dem Vertrag zugrundeliegenden AUB wird auf Bl. 25 f. d. A. verwiesen.
Der Kläger verlangt Versicherungsschutz für die Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich am 17. Oktober 1994 gegen 14.00 Uhr auf der Straße (L) in ereignet hat.
Der Kläger, der seit Juli 1981 als Geschäftsführer bei der in beschäftigt war, war seinerzeit wegen eines psychosomatischen Erschöpfungssyndroms in Behandlung bei seinem Hausarzt Dr. S und seit einigen Tagen vor dem Unfall arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 17. Oktober 1994 fuhr er nach dem Mittagessen mit seinem Pkw zur Straße, stellte das Fahrzeug in einer Seitenstraße ab und begab sich zu Fuß in die Nähe der späteren Unfallstelle. Als er gegen 14.00 Uhr die Fahrbahn der Straße betrat, wurde er von einem von dem Zeugen S geführten Sattelzug, der die Straße aus Sicht des Klägers von links kommend befuhr, erfaßt und schwer verletzt. Er erlitt u. a. eine Brustkorbprellung mit Lungenquetschung, Serienbrüche beiderseits, Pneumothorax rechts und links, eine schwere kombinierte Beckenverletzung mit Hüftpfannenbruch und einer Beckenringbruchschädigung rechts sowie Nervenschädigungen beider unterer Gliedmaßen.
Vom Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 1995 angemeldete Ansprüche aus der Unfallversicherung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen, namentlich die Aussage des Zeugen S, ließen nur den Schluß zu, der Kläger habe sich in suizidaler Absicht von dem Lkw überfahren lassen, es fehle deshalb am Merkmal der Unfreiwilligkeit nach den AUB.
Der Kläger hat demgegenüber behauptet, er habe den Unfall keineswegs in Selbstmordabsicht provoziert. Er habe seinerzeit nach dem Mittagessen einen Spaziergang zur Baustelle der neuen Bundesautobahnauffahrt gemacht, um den künftigen Weg zu seiner Arbeitsstelle in zu erkunden. Nachdem er sein Fahrzeug in der Nähe der Unfallstelle abgestellt habe, sei er zu Fuß weitergegangen und habe schließlich gedankenverloren die Fahrbahn überquert. Den herannahenden Lkw habe er zuvor nicht gesehen. Er habe sich aber keineswegs bewußt von dem Fahrzeug überfahren lassen wollen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, aus der dynamischen Unfallversicherung mit der Versicherungsscheinnummer Versicherungsleistungen zu gewähren.
Hilfsweise hat er beantragt,
zum Unfallversicherungsvertrag mit der vorgenannten Versicherungsscheinnummer festzustellen, daß das bei ihm am 17.10.1994 auf der Straße in eingetretene Schadenereignis ein Unfall im Sinne des § 2 Abs. 1 allgemeine Unfallversicherungsbedingungen U 1231/00 war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Kläger sei bewußt und gewollt in Selbstmordabsicht vor den von dem Zeugen S geführten Lkw gelaufen. Als sich das Fahrzeug dem Kläger auf etwa 15 - 18 m genähert habe, sei dieser "hakenförmig" zuerst auf die Straße und sodann mit gesenktem Kopf und Oberkörper unmittelbar und direkt auf den von dem Zeugen S geführten Lkw zugelaufen. Für die Selbstmordabsicht des Klägers spreche auch, daß er sich seinerzeit wegen einer psychosomatischen Erkrankung in ärztlicher Behandlung bei seinem Hausarzt befunden habe.
Das Landgericht hat eine schriftliche Aussage des Hausarztes Dr. S eingeholt und die Lebensgefährtin des Klägers Frau E sowie den am Unfall beteiligten Führer des Sattelzuges S als Zeugen vernommen. Es hat sodann die Klage abgewiesen, weil es aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen hat, der Kläger sei in Selbstmordabsicht vor den Sattelzug gelaufen.
Gegen diese Entscheidung, wegen deren Einzelheiten auf ihren Inhalt verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag und den Hilfsantrag weiterverfolgt (Bl. 148 f. d. A.). Der Kläger bestreitet nach wie vor unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vorbringens, in Selbstmordabsicht vor den Lkw gelaufen zu sein. Die Umstände des Unfalls ließen eine solche Schlußfolgerung nicht zu. Er sei vielmehr abgelenkt und unaufmerksam gewesen. Aus der Aussage des Zeugen S im Ermittlungsverfahren und vor dem Landgericht könne nicht auf Selbstmordabsicht geschlossen werden, da dieser Zeuge versuche, den Unfall so darzustellen, daß ihn kein Schuldvorwurf treffe. Schließlich gebe es auch keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb er aus dem Leben freiwillig habe scheiden wollen. Ein psychisches Erschöpfungssyndrom sei kein Beleg für die ihm u...