Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt: Unterhaltsberechnung und zeitliche Begrenzung bzw. Herabsetzung des Unterhalts unter Berücksichtigung einer neuen Ehe
Leitsatz (redaktionell)
Da die Berechnung des Anspruchs auf Ehegattenunterhalt des geschiedenen Ehegatten bei Wiederverheiratung des Unterhaltsschuldners nach dem „Dreiteilungsgrundsatz” des BGH zu einer unverhältnismäßigen Entwertung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten führen kann, ist das Ergebnis zu überprüfen und ggf. wertend zu korrigieren. Hierzu ist zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe dem neuen Ehegatten nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben unter Beachtung des Grundsatzes der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) ein Erwerbseinkommen anzurechnen wäre.
Normenkette
BGB §§ 1573, 1578, 1578b, 1569
Verfahrensgang
AG Marl (Urteil vom 19.08.2008; Aktenzeichen 20 F 112/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.8.2008 verkündete Urteil des - AG - Familiengericht - Marl (in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss des AG vom 6.10.2008) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Abänderung der durch Urteil des AG - Familiengericht - Marl vom 21.8.2007 (20 F 167/07) titulierten Verpflichtung des Klägers, an die Beklagte einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 607 EUR zu zahlen.
Der am 15.2.1957 geborene Kläger und die am 9.11.1956 geborene Beklagte schlossen die Ehe am 26.3.1975. Die Ehe blieb kinderlos.
Die Beklagte hatte die Sonderschule mit einem entsprechenden Abschluss besucht. Sie begann anschließend eine Berufsausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie die Berufsausbildung beendete. Zum Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete die Beklagte als Hilfsarbeiterin. Sie übte eine Erwerbstätigkeit mit Unterbrechungen bis August 1978 aus. Anschließend bezog die Beklagte bis Januar 1979 Arbeitslosengeld. Danach ging sie während des ehelichen Zusammenlebens einer Erwerbstätigkeit nicht nach. Von 1995 bis 1997 pflegte die Beklagte ihren Vater, wofür sie Pflegegeld erhielt.
Der Kläger erlernte zunächst den Beruf des Vulkaniseurmeisters. Während des ehelichen Zusammenlebens bildete er sich zum Chemieingenieur fort. Er arbeitet in diesem Beruf bei der Firma E2.
Die Parteien trennten sich im Juli 2002. Der Scheidungsantrag wurde am 14.2.2003 rechtshängig. Am 21.10.2003 trat die Rechtskraft der Ehescheidung ein.
Nach der Trennung nahm die Beklagte im November 2002 eine teilschichtige Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft bei der Firma D GmbH und Co KG auf, für die sie nach wie vor tätig ist. Sie erhält einen Stundenlohn von 8,15 EUR und hat im Jahr 2008, bis November 2008, monatsdurchschnittlich 894 EUR brutto, entsprechend 708,92 EUR netto, bezogen.
Der Kläger heiratete erneut am 8.5.2004. Seine Ehefrau, mit der der Kläger zusammenlebt, ging und geht einer Erwerbstätigkeit nicht nach. In dem ehelichen Haushalt lebt das Kind der Ehefrau L, geboren am 21.1.1997, das der Kläger im Jahr 2006 adoptierte (rechtswirksam seit dem 21.4.2006), und das gemeinsame Kind der Eheleute M, geboren am 15.2.2005.
In dem Rechtsstreit AG Marl 20 F 439/03 schlossen die Parteien unter dem 12.4.2005 einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 618 EUR zu zahlen.
Gemäß den Grundlagen des Vergleichs wurde das Erwerbseinkommen des Klägers nach der Steuerklasse I berechnet, seine Unterhaltsverpflichtung ggü. der Ehefrau nicht berücksichtigt und der Beklagten ein - teilweise fiktives - vollschichtiges Nettoeinkommen von bereinigt 936 EUR monatlich zugerechnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vergleichs (Bl. 209, 209 R. der Beiakten) verwiesen.
In dem weiteren Rechtsstreit AG Marl 20 F 167/07 erstrebte der Kläger mit seiner am 12.4.2007 beim AG eingegangenen Klage die Abänderung des o.a. gerichtlichen Vergleichs auf einen monatlichen Unterhalt von 354 EUR ab dem 19.4.2006, wobei er zur Begründung in erster Linie auf die Unterhaltsverpflichtung ggü. den beiden v.g. Kindern abstellte und nach der Klageschrift die Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs geltend machte (Beiakten, Bl. 4).
Mit dem am 21.8.2007 verkündeten Urteil änderte das Familiengericht unter Klageabweisung im Übrigen zuletzt für den Zeitraum ab Januar 2008 den Vergleich auf eine monatliche Unterhaltsverpflichtung von 607 EUR ab, wobei es beim Kläger den Kindesunterhalt mindernd berücksichtigte und der Beklagten nach wie vor ein bereinigtes Nettoeinkommen von 936 EUR monatlich zurechnete. Ausführungen zur Befristung und Begrenzung des Unterhalts enthält das Urteil nicht. Die Entscheidung ist seit dem 19.10...