Leitsatz (amtlich)
1. Die Richtigkeit der Angaben eines gerichtlichen Sachverständigen ist kein von den Parteien als feststehend zu Grunde gelegter Sachverhalt gem. § 779 I BGB.
2. Ein Fehler des Sachverständigen berechtigt nicht zur Anfechtung des Vergleiches.
Normenkette
BGB §§ 119, 123, 779
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 O 160/21) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Vergleich vom 10.11.2023 erledigt ist.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat ursprünglich Schmerzensgeld und die Feststellung von Schadensersatzansprüchen infolge ärztlicher Behandlungen begehrt.
Im Senatstermin vom 10.11.2023 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, nachdem die Beklagte zu 1) an den Kläger zur Abgeltung aller Forderungen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen stationären Behandlung vom 20.02.2014 bis zum 06.04.2014 einen Betrag von 2.000 EUR zahlt. Der Kläger hat diesem Vergleich sofort vorbehaltlos zugestimmt, die Beklagten behielten sich den Widerruf des Vergleichs bis zum 01.12.2023 vor. Ein Widerruf ist nicht erfolgt.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.11.2023 gegenüber den Beklagtenvertretern die Anfechtung des Vergleichs bzw. seiner Willenserklärung zum Abschluss des Vergleichs gem. §§ 119, 123 BGB erklärt.
Der Kläger beantragt nunmehr - unter Stellung seiner Anträge auf Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.05.2023 und Abänderung des Urteils dahingehen, dass die Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet sind und die weitere Ersatzpflicht festgestellt wird -, den ursprünglichen Rechtsstreit fortzusetzen. Die Beklagten beantragen festzustellen, dass der Rechtsstreit durch Vergleich vom 10.11.2023 erledigt ist. Wegen des genauen Wortlauts der gestellten Anträge wird auf das Protokoll des Senatstermins vom 12.04.2024 Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Im Übrigen wird von der weiteren Darstellung des Tatbestandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 ZPO abgesehen.
II. Der Rechtsstreit der Parteien war nach Abschluss des Vergleichs vom 10.11.2023 nicht vor dem Senat fortzusetzen. Der Vergleich ist nicht durch die Beklagten innerhalb der - nur den Beklagten zustehenden - Widerrufsfrist widerrufen worden. Auch im Übrigen ist von einer Wirksamkeit des Vergleiches auszugehen, insbesondere greift die vom Kläger erklärte Anfechtung des Vergleichs nicht durch. Demgemäß war auszusprechen, dass der Rechtsstreit erledigt ist.
1) Der Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs ist aus verfahrensrechtlichen Gründen durch Fortsetzung des alten Verfahrens auszutragen, indem die Partei, die den Vergleich für unwirksam hält, Terminsantrag mit dieser Begründung stellt. Das gleiche gilt für den Streit über die anfängliche materielle Unwirksamkeit des Vergleichs z.B. wegen Nichtigkeit oder Anfechtung. Bringt die Fortsetzung des alten Verfahrens das Ergebnis, dass der Vergleich wirksam ist, so ist durch Endurteil (vgl. BGH, Beschl. vom 18.09.1996 - VIII ZB 28/96, NJW 1996, 3345) auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt ist (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl., § 779 Rn. 31).
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Prozessvergleich den Rechtsstreit nicht beendet hat, trägt derjenige, der dies geltend macht (BeckOK BGB/Rudolf Fischer, 68. Ed. 01.05.2023, BGB § 779 Rn. 119), hier der Kläger.
2) Der Kläger kann sich zunächst nicht darauf berufen, dass der Vergleich unwirksam ist.
Ein Vergleich ist nach § 779 Abs. 1 BGB, der auch auf Prozessvergleiche anwendbar ist, dann unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Geregelt wird hier der Fall eines beiderseitigen Irrtums über einen Umstand, der außerhalb des Streits der Parteien lag (Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl., § 779 Rn. 1, 29).
Die Richtigkeit der Angaben eines gerichtlichen Sachverständigen ist kein von den Parteien als feststehend zu Grunde gelegter Sachverhalt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2005 - 13 U 25/04, NJW-RR 2006, 65.). Hier befand sich der Kläger - nach eigenem Vortrag - allenfalls in einem tatsächlichen Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig oder ungewiss angesehen wurde, nämlich die Möglichkeit und Verfügbarkeit alternativer Behandlungsmethoden. Auch zu diesem Streitgegenstand ist durch die Beauftragung des Sachverständigen Beweis erhoben und dessen Ergebnisse sind bei der Streitbeilegung zu Grunde gelegt worden. Die Parteien sind vorliegend demnach gerade nicht übereinstimmend von dem Bestehen einer bestimmten Behandlungsalternative ausgegangen; vielmehr wurde durch die Bewe...