Leitsatz (amtlich)
Kommt es in einer Kreuzung zu einem Auffahrunfall, weil der vorausfahrende Fahrzeugführer entgegen der Erwartung des Hintermanns die Kreuzung nicht zügig räumt, sondern - um nach links abzubiegen - verkehrswidrig vom Geradeausfahrstreifen in den Linksabbiegerverkehr wechselt und dort wegen Gegenverkehrs anhält, muss der Störer den Schaden dann nicht allein tragen, wenn der Auffahrende auf den Vordermann schuldhaft nicht rechtzeitig reagiert hat.
Bei einer fiktiven Schadensabrechnung (auf der Basis eines Gutachtens) kann Entschädigung für Nutzungsausfall nur für die hypothetische Reparaturdauer in einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangt werden, auch wenn die Reparatur in einer freien Werkstatt tatsächlich länger gedauert hat.
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 23.03.2004; Aktenzeichen 8 O 83/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 23.3.2004 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Essen abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 2.799,18 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2003 zu zahlen
Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 77 % und den Beklagten zu 23 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
Die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlich abgewiesenen Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall vom 15.7.2003 innerorts von F. in vollem Umfang weiterverfolgt, hat - nur - insoweit Erfolg, als die Klageforderung auf der Basis einer Haftungsverteilung zu je 50 % am Zustandekommen des Unfalls teilweise zuzusprechen ist.
Die Beklagten haften dem Kläger gem. § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 3 Zif. 1 PflVG grundsätzlich auf Ersatz seines Schadens. Dabei belastet die Beklagten über die einfache Betriebsgefahr des Wohnmobils hinaus ein schuldhafter Fahrfehler des Beklagten zu 1) (fortan nur Beklagter), der sich in dem für ihn vermeidbaren Auffahren auf den Pkw Mercedes des Klägers manifestiert hat. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten (§ 4 Abs. 1 StVO) oder es an der erforderlichen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen (§ 1 Abs. 2 StVO). Die Beweisaufnahme vor dem Senat hat ergeben, dass der Beklagte den Zusammenstoß durch einen größeren, ein plötzliches Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs pflichtgemäß einkalkulierenden Abstand, jedenfalls durch größere Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Er hat bei seiner Anhörung durch den Senat anschaulich geschildert, dass er davon ausgegangen war, der vor ihm fahrende Mercedes werde, dessen Einordnung in der Geradeausspur entsprechend, die Kreuzung zügig durchfahren, ganz plötzlich habe sich jedoch der Abstand verkürzt und der Kläger angehalten. Hierzu hat der Sachverständige Prof. T. festgestellt, dass auch bei einer Vorverlegung des Kollisionsortes ggü. der in der polizeilichen Unfallskizze festgehaltenen Endstellung des Wohnmobils entsprechend den Angaben des Beklagten diesem mindestens 2 Sekunden für eine Reaktion auf das Anhalten des Mercedes blieben. Auch die Zeugin G. (vormals C.) hat eine langsamer werdende Fahrweise des Mercedes beschrieben, der die Absicht des Fahrzeugführers, eine Lücke in der Schlange der Linksabbieger abzuwarten, anzumerken war.
Der Kläger muss jedoch gem. §§ 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 254 BGB eine Minderung seiner Ansprüche um die Hälfte hinnehmen, da auch der Betrieb seines Kfz zur Unfallverursachung beigetragen hat. Auch ihn belastet über die einfache Betriebsgefahr seines Pkw hinaus ein schuldhafter Verkehrsverstoß, der für den Unfall ursächlich geworden ist. Zwar hat die Beweisaufnahme ein grundloses starkes Bremsen des Klägers als Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO nicht ergeben. Jedoch durfte der Kläger seinen Geradeausfahrstreifen weder vor der Wartelinie nach links über die durchgehende Fahrstreifenbegrenzungslinie verlassen (§ 41 Abs. 3 Nr. 3 StVO i.V.m. Zeichen 295) noch innerhalb der Kreuzung nach links abbiegen (§ 41 Abs. 3 Nr. 5 StVO) und deshalb auch nicht zu diesem Zweck in seiner Spur verharren, bis links eine Lücke entstand.
Abweichend von der Auffassung der Vorinstanz wiegt dieser Verstoß des Klägers jedoch nicht schwerer als der des Beklagten, mag auch sein Versuch, sich in die Schlange der vorschriftsmäßig eingeordneten und deshalb bereits länger an der Kreuzung wartenden Linksabbieger zu drängeln, jenen ggü. besonders rücksichtslos erscheinen. Vorliegend ist die Abwägung im Verhältnis zum Beklagten vorzunehmen, der sich auf eine ungebremste Vorausfahrt der vor ihm befindlichen Fahrzeuge nicht so vertrauen durfte, wie er es getan hat.
Zur Schadenshöhe sind in der Berufungsinstanz nur noch die Positionen Dauer der Nutzungsentschädigung und Schmerzensgeld streitig.
Mit dem Schadensgutachten sind für den Nutzungsausfall nur 12 Werktage für die Wiederbeschaffung, mithin 14 Kalendertage anzus...