Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückzahlung von sog. "Brautgeld"
Leitsatz (amtlich)
1. Eine nach yezidischem Brauchtum abgeschlossene Brautgeldabrede unterfällt dem Verlöbnisstatut.
2. Eine nach deutschem Sachrecht zu beurteilende Brautgeldabrede ist gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Sie ist mit den der deutschen Sitten- und Werteordnung zugrunde liegenden und im Grundsatz verankerten Prinzipien der Freiheit der Eheschließung (Art. 6 GG) und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht zu vereinbaren.
3. Das aufgrund einer sittenwidrigen Brautgeldabrede geleistete Brautgeld kann gem. § 817 S. 2 BGB nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert werden, wenn der Leistende durch den Abschluss der Brautgeldabrede und die anschließende Zahlung selbst gegen die deutsche Sittenordnung verstoßen hat.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 6; BGB § 138 Abs. 1, § 817 S. 2
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 30.03.2010; Aktenzeichen 2 O 99/09) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 30.3.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufung je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Kläger i.H.v. 8.000 EUR; die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Der Sachverhalt stellt sich danach wie folgt dar:
Die Kläger sind Eheleute. Der Bruder des Klägers zu 1) ging im Juni 2007 die Ehe mit der Tochter des Beklagten ein, die Hochzeitsfeier fand am 7.9.2007 statt.
Bei der vorangegangenen Verlobungsfeier am 9.3.2007 übergab der Kläger zu 1) an den Beklagten einen Geldbetrag i.H.v. 8.000 EUR. Nachdem die Ehe zunächst geschlossen worden war, verließ die Tochter des Beklagten den Bruder bzw. Schwager des Klägers am 15.7.2008 und zog zurück in den Haushalt des Beklagten.
Alle Beteiligten sind Angehörige des yezidischen Glaubens.
Die Kläger haben behauptet, es habe zwischen den Parteien gemäß dem gemeinsamen yezidischen Glauben eine sog. "Brautgeldabrede" gegeben, deren Inhalt es gewesen sei, dass an den Beklagten als Brautvater eine Geldsumme gezahlt werde, die auch als Voraussetzung für das Eingehen der Ehe gelte.
Insoweit haben die Kläger behauptet, dass der Bräutigam nicht über die ausreichenden finanziellen Mittel verfügt habe, so dass der entsprechende Betrag durch die Kläger zur Verfügung gestellt worden sei. Sie haben vorgetragen, auf diese Weise sei eine Verpflichtung der Familie erfüllt worden, die für die Zahlung des Brautgeldes zuständig sei.
Mit dem Bräutigam sei vereinbart worden, dass er den Betrag von 8.000 EUR in monatlichen Raten an die Kläger zurückzahlen werde, sobald er dazu in der Lage sei. Hierzu sei es bisher jedoch nicht gekommen.
Weiterhin haben die Kläger behauptet, es bestehe gemäß dem yezidischen Glauben im Hinblick auf das "Brautgeld" auch eine Rückzahlungspflicht für den Fall, dass die Ehe deshalb nicht bestehen bleibe, weil die Braut den Bräutigam verlasse. Da dieser Fall eingetreten sei, müsse der Beklagte das Geld an die Kläger zurückzahlen, denn Entsprechendes sei auch vereinbart worden.
Die Kläger haben in erster Instanz beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 8.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 14.3.2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, bei dem Geldbetrag habe es sich nicht um "Brautgeld" gehandelt, sondern vielmehr um eine Zuwendung der Familie des Bräutigams an die Eheleute zur Gründung eines eigenen Hausstandes. Der Beklagte habe das Geld lediglich für diese entgegengenommen und der Betrag sei dem Haushalt des Brautpaares zugeflossen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Frage, ob den Klägern ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten zustehe, beurteile sich nach deutschem Recht. Sofern die Zahlung des Brautgeldes auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung erfolgt sei, seien Wirksamkeit und Zustandekommen einer solchen gem. Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB nach deutschen Recht zu beurteilen. Gleiches gelte gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB für einen etwa in Betracht kommenden Kondiktionsanspruch der Kläger. Zu diesem Recht bestehe die engste Verbindung. Beide Parteien, und insbesondere auch die Kläger als Erbringer der charakteristischen Leistung i.S.d. Art. 28 Abs. 2, S. 1 EGBGB hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
Anhaltspunkte für eine Rechtswahl oder Umstände, die der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB i.S.v. Art. 28 Abs. 5 EGBGB entgegenstehen könnten, seien nicht ersichtlich. Zwar entspreche nach dem Vortrag der Beteiligten die Brautgeldzahlung den Vorgaben des yezidischen Glaubens, welchem die Parteien angehörten. Bei diesen überlieferten Verhaltensmaximen des yezidischen Glaubens handele es sich jedoch nicht um eine staatlich anerkannte Rechtsordnung. Das Zusammenfallen von yezidischem Glauben u...