Leitsatz (amtlich)
Prozessuale Unwirksamkeit eines Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO bei sofortiger Annahme eines in mündlicher Verhandlung vorläufig auf einem Tonträger aufgezeichneten Vergleichsvorschlags durch einen der Beteiligten ohne erneute Annahme durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht.
Normenkette
ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 19.01.2011; Aktenzeichen 8 O 525/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.1.2011 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit zwischen den Parteien durch den mit Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Bielefeld vom 9.7.2010 (8 O 525/98) festgestellten Vergleich nicht beendet worden ist.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Frage der Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.
Der Kläger hat im Verfahren 8 O 525/98 LG Bielefeld die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für materielle und immaterielle Schäden wegen einer gegen ihn erstatteten Strafanzeige vom 28.8.1995 und der daraufhin eingeleiteten Verfahren (strafrechtliches Ermittlungsverfahren, Verfahren auf Widerruf der dem Kläger erteilten Apothekenbetriebserlaubnis, berufsgerichtliches Verfahren) sowie wegen einer ihn betreffenden Öffentlichkeits- und Medienkampagne begehrt. Hintergrund war der Vorwurf, der Kläger habe in unzulässiger Weise eine Apothekenkette gegründet und betrieben.
Im Termin vor dem LG vom 23.6.2010 hat die Kammer den Parteien den Abschluss eines Vergleiches vorgeschlagen. Der Vergleichsvorschlag, wegen dessen Inhalts auf Bl. 798 d.A. verwiesen wird, ist zu Protokoll diktiert worden, das vorläufig auf Tonträger aufgezeichnet worden ist. Der Kläger, anwaltlich vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, hat sofort die Annahme des Vergleichsvorschlags zu Protokoll erklärt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat im Termin noch keine Erklärung zu dem Vergleichsvorschlag abgegeben, sondern darauf hingewiesen, er müsse insoweit erst Rücksprache mit den maßgeblichen Gremien der Beklagten zu 1) halten. Sodann hat die Kammer den Beschluss verkündet, dass die Beklagten Gelegenheit erhalten, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag innerhalb einer Frist bis zum 15.7.2010 anzunehmen. Das schriftliche Sitzungsprotokoll ist mit Verfügung vom 1.7.2010 den Anwälten der Parteien übersandt worden (Bl. 808 d.A.). Zuvor war der Vergleichstext bereits mit Email vom 29.6.2010 den Anwälten übermittelt worden.
Der Kläger hat sodann mit Schriftsatz vom 2.7.2010 den Widerruf der durch ihn erklärten Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags, hilfsweise deren Anfechtung mit der Begründung erklärt, er habe sich nach der fast zehnstündigen Gerichtsverhandlung subjektiv in einer Zwangslage befunden und habe die Annahme nicht erklären wollen.
Die Beklagten haben mit einem am 9.7.2010 bei dem LG eingegangenen Schriftsatz die Annahme des Vergleichsvorschlags erklärt (Bl. 815 d.A.). Das LG hat daraufhin mit Beschluss vom 9.7.2010 das Zustandekommen des Vergleichs festgestellt, § 278 Abs. 6 ZPO (Bl. 816 d.A.).
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 2.8.2010 sofortige Beschwerde, hilfsweise Beschwerde und äußerst hilfsweise Gegenvorstellung sowie die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erhoben und die Fortsetzung des Klageverfahrens beantragt (Bl. 830 ff. d.A.). Das LG hat den Beschwerden des Klägers nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Hamm zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 836 ff. d.A.). Mit Schriftsatz vom 31.8.2010 hat der Kläger sodann die sofortige Beschwerde, die hilfsweise erhobene Beschwerde und die äußerst hilfsweise erhobene Gegenvorstellung zurückgenommen (Bl. 874 d.A.). Für den Fall, dass der Vergleich wirksam zustande gekommen ist, hat der Kläger den Rücktritt von dem Vergleich mit der Begründung erklärt, die Beklagten hätten die im Vergleich vereinbarte Zahlung von 10.000 EUR an die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" nicht erbracht.
Der Kläger hat behauptet, er habe den Vergleichsvorschlag des LG im Termin vom 23.6.2010 tatsächlich nicht annehmen wollen. Er habe diesen in einer vom Gericht aufgebauten Drucksituation und einer subjektiven Zwangslage angenommen, wobei ihm das Bewusstsein für den Inhalt dieser Erklärung gefehlt habe. Der Kläger hat zudem die Ansicht vertreten, ein Vergleich sei nicht formwirksam zustande gekommen, weil der Vergleichsvorschlag des LG zum Zeitpunkt der Annahmeerklärung des Klägers noch nicht in Schriftform vorgelegen habe und er dem Vorschlag auch nicht durch Schriftsatz zugestimmt habe, wie dies nach § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO vorausgesetzt sei. Auch habe das LG von sich aus eine Frist für die Annahme des in der Erklärung des Klägers liegenden Angebots auf Abschluss eines materiell-rechtlichen Vergleichs bestimmt und dadurch in seine Rechtsposition eingegriffen.
Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit nicht durch den mit Beschluss vom 9.7.2010 festgestellten Vergleich beendet worden ist.
Die Beklagten haben beantragt, festzus...