Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen der Wirksamkeit des Abschluss eines materiell-rechtlichen Vergleichs bei Scheitern des Zustandekommens eines Prozessvergleichs im Sinne des § 278 Abs. 6 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erklärt eine Partei im Rahmen gerichtlicher Vergleichsbemühungen ein von der anderen Partei binnen einer bestimmten Frist anzunehmendes Angebot, wobei dieses Angebot nach den Vorstellungen der Parteien durch einen Schriftsatz an das Gericht anzunehmen ist, dann genügt der Zugang bei Gericht im Sinne des § 130 BGB für das Wirksamwerden der Annahme zum Abschluss eines materiell-rechtlichen Vergleichs.

2. Der Zweifelssatz des § 154 Abs. 2 BGB, dass bei zu beurkundenden Verträgen keine Bindung beabsichtigt ist, bis die Beurkundung erfolgt ist, findet keine Anwendung, soweit eine Partei bereits vor der Beurkundung ausdrücklich ihre Angebots- bzw. Annahmeerklärung unter Bestimmung einer Frist der Bindung an ihre Erklärung abgibt.

 

Normenkette

BGB §§ 130, 140, 147 Abs. 2, § 154 Abs. 2, § 157; ZPO § 278 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 22.09.2017; Aktenzeichen 4 O 1907/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22.09.2017, Az. 4 O 1907/16, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Die Urteile des Landgerichts und des Senats sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Darlehensrückzahlung in Anspruch.

Die Parteien haben in den Jahren 2005 und 2008 jeweils einen Darlehensvertrag geschlossen. Das Darlehen mit der Nummer ...070 aus 2005 belief sich auf einen Nettodarlehensbetrag von EUR 24.800,00 und das Darlehen mit der Nummer ...071 aus 2008 auf einen Betrag von EUR 25.000,00. Außerdem bestand zwischen den Parteien ein Kontokorrentvertrag mit der Nummer ...000. Für die beiden Darlehensverträge verbürgte sich der Schwiegervater der Beklagten, Herr S., mit Bürgschaftserklärung vom 04.03.2008 selbstschuldnerisch in Höhe von EUR 42.205,00.

Ende 2013 handelten die Parteien eine weitere als Darlehensvertrag bezeichnete Vereinbarung vom 14.11./20.11.2013 aus. Diese hatte den Verwendungszweck, die Verbindlichkeiten aus den bestehenden drei Verträgen zusammenzufassen. In den Vertrag wurde u.a. aufgenommen, dass die Beklagte eine selbstschuldnerische Bürgschaft von Herrn S. über EUR 24.000,00 stellen sollte und dass das Darlehen erst in Anspruch genommen werden könne, wenn die vorgesehenen Sicherheiten bestellt sind. Es kam zwischen den Parteien zu Differenzen über die Modalitäten und die Notwendigkeit der erneuten Bürgschaft durch Herrn S. Eine neue Bürgschaft wurde nicht gestellt.

Zahlungen der Beklagten auf die Darlehensverträge von 2005 und 2008 erfolgten in der Folge nicht und die Klägerin kündigte die Geschäftsbeziehung mit Schreiben vom 09.01.2014 unter Aufforderung zur Rückzahlung der Gesamtforderungen aus den Darlehensverträgen von 2005 und 2008 und dem Kontokorrentvertrag. Im Juli und September 2016 sprach die Klägerin weitere Kündigungen aus, verbunden jeweils mit Zahlungsaufforderungen über einen Gesamtbetrag von EUR 26.250,60. Weitere Zahlungen seitens der Beklagten erfolgten nicht.

Die Klägerin erhob sodann mit Klageschrift vom 08.12.2016 Klage gegen die Beklagte auf Zahlung von EUR 26.250,60 zzgl. Zinsen aus den gekündigten Kreditverträgen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 25.08.2017 schlug das Landgericht den Parteien vor, sich unter Aufhebung der Kosten dahingehend zu vergleichen, dass die Beklagte an die Klägerin binnen drei Tagen ab Rechtskraft des Vergleichs einen Betrag von EUR 26.250,60 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2017 zahlen sollte, wobei diese Zahlung auch durch Herrn S. erfolgen dürfe. Der Beklagtenvertreter erklärte auf diesen Vergleichsvorschlag hin, dass er diesen Vergleich für seine Mandantin schon jetzt annehme. Er sei damit einverstanden, dass sich die Klägerin bis zum 15.09.2017 zu diesem Angebot äußere, und er halte sich bis dahin an seine Annahme gebunden.

Mit Schriftsatz vom 06.09.2017, bei Gericht eingegangen am selben Tag, teilte die Beklagte mit, sie erhalte ihr Angebot auf Abschluss eines Vergleichs nicht aufrecht. Mit Schriftsatz vom 07.09.2017, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erklärte die Klägerin die Annahme des Vergleichsangebots.

Das Landgericht Bremen hat mit Urteil vom 22.09.2017 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 26.250,60 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2017 zu zahlen. Ferner stellt das Urteil fest, dass diese Schuld durch Herrn S. beglichen werden kann.

Zur Begründung stützte sich das Landgericht darauf, dass zwar kein Prozessvergleich, gleichwohl aber ein materiell-rechtlicher Vergleich zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Die Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2017 ha...

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