Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenunterhalt: Fiktives Einkommen des an einer Depression erkrankten Unterhaltsschuldners
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 118 F 3130/09) |
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Februar 2012 monatlich im Voraus bis zum dritten eines jeden Monats Elementarunterhalt i.H.v. 1.335 EUR und Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 394 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung sowie die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz und der Berufungsinstanz tragen der Kläger 17 % und die Beklagte 83 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vorläufig vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Zahlung von Trennungsunterhalt.
Die Parteien haben am 3.8.1989 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Seit dem 1.8.2008 leben die Eheleute getrennt.
Der Kläger, geboren am 23.8.1954, arbeitet derzeit nicht. Er hat eine abgeschlossene Ausbildung als Bauzeichner. Ein Studium des Industriedesigns hat er bereits 1986 aufgegeben, also noch vor der Ehe. In der Folgezeit hat er in der ärztlichen Praxis der Beklagten ausgeholfen.
Die Beklagte betreibt in E eine allgemeinmedizinische Praxis.
Die Parteien schlossen am 29.1.2009 vor dem AG - Familiengericht - Dortmund einen Vergleich, wonach die Beklagte an den Kläger einen monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 2.300 EUR zahlt. Die Parteien waren sich darüber einig, "dass der Trennungsunterhalt zunächst nur bis einschließlich Juli 2009 bezahlt wird". Des Weiteren wurde Einigkeit darüber erzielt, dass die Beklagte bis zur Rechtskraft der Scheidung die Kosten der Krankenversicherung des Klägers übernimmt.
Zwischen den Parteien ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Der Scheidungsantrag ist der hiesigen Beklagten am 20.4.2009 zugestellt worden.
Die Parteien waren Miteigentümer einer Immobilie, in der sich die eheliche Wohnung sowie die ärztliche Praxis der Beklagten befanden. Das Grundstück wurde zwischenzeitlich verkauft und der Erlös von 270.000 EUR im Dezember 2011 hälftig aufgeteilt.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Trennungsunterhalt ab August 2009.
Der Kläger hat zunächst behauptet, dass er wegen einer Nervenerkrankung am Arm nicht arbeitsfähig sei. Im Rahmen der Untersuchungen sei dann festgestellt worden, dass sich eine reaktive Depression entwickelt habe.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ab August 2009 monatlich im Voraus bis zum 3. eines Monats einen Elementarunterhalt i.H.v. 1.664,92 EUR und zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 526,55 EUR, zusammen also (gerundet) 2.190 EUR an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, dass der Kläger vollschichtig arbeiten könne.
Das AG hat zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers zwei Sachverständigengutachten eingeholt.
Der Arbeitsmediziner Dr. G kam in seinem Gutachten vom 27.1.2010 zu dem Ergebnis, dass der Kläger über 8 Stunden täglich eine körperlich zumindest mittelschwere, vielleicht sogar schwere Tätigkeit ausüben könne. Es sollten nur solche Arbeiten vermieden werden, die eine volle beidhändige Sensibilität erfordern.
Der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. med. I stellte in seinem Gutachten vom 13.9.2010 beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode fest. Diese sei reaktiver Natur, also im Wesentlichen durch die Trennungssituation bedingt (Anpassungsstörung). Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei durch die Erkrankung eingeschränkt. Aus nervenärztlicher Sicht sei er nur in der Lage, geistig einfache Tätigkeiten unterhalb seines Ausbildungsstandes halbschichtig auszuführen.
Das AG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum bis Juli 2011 einen Unterhaltsrückstand von 22.641 EUR zu zahlen, sowie ab August 2011 einen monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 1.980 EUR. Das AG ist davon ausgegangen, dass dem Kläger ein fiktives Einkommen i.H.v. 700 EUR im Monat zuzurechnen sei. Das Gericht folgte dem Sachverständigen Dr. I, wonach der Kläger eine halbschichtige Tätigkeit ausüben könne. Da er seinen erlernten Beruf über einen langen Zeitraum nicht ausgeübt habe, sei er als ungelernter Arbeiter zu behandeln.
Bei der Beklagten ist das AG davon ausgegangen, dass sie ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 4.557 EUR erzielt. Insoweit hat das AG sich auf ein Sachverständigengutachten gestützt, das im Rahmen des Scheidungsverfahrens eingeholt wurde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie vertritt die Auffassung, dass dem Kläger ein Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit zuzurechnen sei. Eine psychiatrische Behandlung könnte schon abgeschlossen sein, wenn sich der Kläger rechtz...