Leitsatz (amtlich)

Entnimmt ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH Beträge aus dem Gesellschaftsvermögen bei Vorliegen einer Unterbilanz, kann darin eine verbotswidrige Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG liegen, auch wenn das Handeln des Gesellschafter-Geschäftsführers als Untreue zu bewerten ist.

 

Normenkette

GmbHG §§ 30-31

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 20.07.2016; Aktenzeichen I-4 O 44/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.07.2016 verkündete Urteil des LG Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG die Erstattung von 13.318,93 EUR.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Q GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Das Stammkapital der Schuldnerin betrug 77.000,- EUR, wovon 61.600,- EUR auf die Beklagte als Gesellschafterin und 15.400,- EUR auf den Gesellschafter G entfielen. Letzterer war zum maßgeblichen Zeitpunkt auch alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Schuldnerin.

Seit dem Bilanzstichtag vom 31.12.2009 wies die Gesellschaft einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von zunächst 34.000,- EUR aus. Im Kalenderjahr 2011 bestand ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von mindestens 268.000,- EUR. Dennoch wurden durch G in der Zeit von Mai bis August 2011 Barauszahlungen und Zahlungen mit der Firmenkreditkarte in Höhe von insgesamt 13.318,93 EUR getätigt, hinsichtlich derer er keine Auskünfte oder Nachweise erbrachte. Vor diesem Hintergrund erstattete die Schuldnerin am 05.01.2012 gegen G Strafanzeige (Anl. K 2) unter Hinweis darauf, dass nach seinerzeitigem Kenntnisstand ein Vermögensnachteil von insgesamt 13.318,93 EUR entstanden sei. In dem Verfahren 50 Ds 103 Js 24/12 - 162/12 wurde G vom AG Hamm durch Urteil vom 17.10.2012 wegen Untreue in 11 Fällen (betreffend die Barauszahlungen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr auf Bewährung verurteilt.

Der Kläger versuchte, den Geschäftsführer G im Hinblick auf die streitgegenständlichen Barabhebungen und Zahlungen in Anspruch zu nehmen. Die aufgrund eines erwirkten Vollstreckungsbescheides vom 19.05.2015 (Anl. K 3) eingeleitete Zwangsvollstreckung blieb erfolglos.

Mit Schreiben vom 16.11.2015 (Anl. K 6) forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zum Ausgleich der entnommenen Beträge gemäß §§ 30, 31 GmbHG bis zum 04.12.2015 auf. Die Beklagte wies die Forderung als unbegründet zurück, da kein Fall einer verdeckten Gewinnausschüttung gem. § 30 GmbHG vorgelegen habe.

Der Kläger hat gemeint, die unberechtigten Entnahmen zugunsten des Gesellschafters und Geschäftsführers G stellten verdeckte Gewinnausschüttungen i.S.v. § 30 GmbHG dar, für welche die Beklagte im Rahmen des § 31 Abs. 3 GmbHG hafte. Außerdem falle der Beklagten infolge ihrer Kenntnis von der sich bereits verfestigten Krise eine Überwachungspflichtverletzung zur Last.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.318,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat eine Rechtsgrundlosigkeit der vorgenommenen Entnahmen durch G mit Nichtwissen bestritten und die Auffassung vertreten, es habe sich nicht um unter Verstoß gegen § 30 GmbHG geleistete Zahlungen gehandelt. Die Vermögensminderung sei nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer G sei zu entsprechenden Abhebungen und Zahlungen nicht ermächtigt gewesen. Bei den Untreuehandlungen, die unter Missbrauch seiner Vertretungsmacht erfolgt seien, liege keine unzulässige Auszahlung i.S.v. § 30 GmbHG vor.

Das LG hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Es sei davon auszugehen, dass den Entnahmen keine Berechtigungen zugrunde gelegen hätten. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege eine Leistung aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses vor. Die Beklagte hafte für den betreffenden Betrag nach § 31 Abs. 3 GmbHG, weil eine Erstattung von dem Mitgesellschafter G nicht zu erlangen gewesen sei.

Die Beklagte wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass jede einzelne der 40 Zahlungen, aus denen sich der Betrag von 13.318,93 EUR zusammensetze, rechtsgrundlos erfolgt sei. Es werde verkannt, dass G zum damaligen Zeitpunkt in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer noch Auslagen für seine Tätigkeit gehabt und Zahlungen für die Schuldnerin getätigt habe. Insbesondere dürften Tankrechnungen des Geschäftsführers mindestens zum Teil durch seine Tätigkeit für die Schuldnerin veranlasst gewesen sein. Den Kläger treffe die Beweislast für die Unrechtmäßigkeit jeder einzelnen Zahlung. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass sämtliche einzelne Zahlungen und Barentnahmen zur Verurteilung des G geführ...

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