Leitsatz (amtlich)
Die Sklerosierungsbehandlung von sog. Besenreisern erfordert eine umfassende ärztliche Aufklärung des Patienten, wenn es sich um einen rein ästhetischen Eingriff handelt. Wird der Patient ausreichend aufgeklärt, kann der für den Patienten schmerzhafte Umstand, dass Injektionsmittel nicht in eine Vene, sondern in umliegendes Gewebe gelangt, nicht als Behandlungsfehler zu werten sein.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, §§ 249, 253 II, §§ 611, 823
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 21.08.2015; Aktenzeichen 4 O 99/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.8.2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung in der Zeit vom 20.11.2009 bis zum 26.03.2010 auf Schmerzensgeld, Ersatz fiktiven Haushaltsführungsschadens, Schadensersatz und Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Die am 23.07.1954 geborene Klägerin stellte sich am 20.11.2009 wegen sog. Besenreiser in der hausärztlichen Praxis des Beklagten vor. Der Beklagte erläuterte ihr, dass es sich bei Besenreisern um ein ästhetisches Problem ohne funktionelle Relevanz handele, gleichwohl aber eine Sklerosierungsbehandlung durchgeführt werden könne. Mit der Klägerin wurden anschließend das (Behandlungs-)Verfahren und zumindest die Komplikation erörtert, dass durch das bei der Behandlung verwendete Medikament eine lokale Entzündung hervorgerufen werden könne.
Am 25.03.2010 suchte die Klägerin die Praxis des Beklagten zur Durchführung der zuvor besprochenen Sklerosierungsbehandlung auf. Der Beklagte setzte der Klägerin zu Beginn der Therapie eine erste Spritze über den Innenknöchel des rechten Fußes. Unmittelbar danach setzte bei der Klägerin ein starkes Brennen ein, so dass der Beklagte die weitere Prozedur abbrach. Vor der Behandlung hatte die Klägerin einen schriftlichen Aufklärungsbogen über die "Entfernung von Hautveränderungen" unterzeichnet.
Die Schmerzen der Klägerin nahmen nach Abbruch der Behandlung weiter zu. Die Umgebung der Einstichstelle rötete sich und schwoll an. Der Beklagte legte der Klägerin daraufhin einen Kompressionsverband um den geschwollenen Knöchel.
Da die Beschwerden in der Folgezeit nicht nachließen, stellte sich die Klägerin am 26.03.2010 erneut in der Praxis des Beklagten vor. Die sie dort nun behandelnde Frau Dr. C3 riet ihr zu einem Wickeln des Fußes.
Auch diese Maßnahme führte in der Folgezeit zu keiner Linderung; die bei der Klägerin bestehende Rötung breitete sich nunmehr sogar weiter bis zur Leiste aus. Die Klägerin stellte sich darauf am 30.03.2010 in der Gemeinschaftspraxis Dr. L in Q-X vor, wo sie zur weiteren Abklärung ins Krankenhaus überwiesen wurde.
Etwa eine Woche später - am 07.04.2010 - suchte die Klägerin das Krankenhaus in M auf, wo sie zunächst wegen ihres dort festgestellten Fiebers ein Antibiotikum erhielt. Die am nächsten Tag durchgeführte Farbduplexsonographie des rechten Venensystems ergab eine ausgeprägte Thrombophlebitis superficialis im Verlauf der Vena saphena magna ab dem proximalen Oberschenkeldrittel über der Knieregion nach distal bis hin zur Wadenmitte. Die behandelnden Ärzte stellten daraufhin die Indikation für eine Exhärese der Vena saphena magna. Die Klägerin wurde danach mit einem Kompressionsverband versorgt und es wurde eine antiphlogistische sowie schmerzstillende Therapie eingeleitet.
In den weiteren Untersuchungen bestätigte sich der anfängliche Verdacht einer tiefen Beinvenenthrombose dann nicht. Die Klägerin musste sich gleichwohl in den nächsten 20 Tagen jeden Tag Thrombosespritzen setzen und weiterhin ein Antibiotikum einnehmen.
Die Klägerin hat dem Beklagten Aufklärungs- und hilfsweise Behandlungsfehler vorgeworfen. Sie habe den Beklagten vor Beginn der Behandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie bereits mehrfach Thrombosen und Venenentzündungen gehabt habe. Der Beklagte habe ein solches Risiko, dem sie sich bei der Behandlung keinesfalls habe aussetzen wollen, damals eindeutig verneint. Nach dem Setzen der ersten Spritze und dem Anschwellen ihres geröteten Knöchels habe ihr der Beklagte erklärt, die Schmerzen würden bald nachlassen und beruhten darauf, dass das verwendete Präparat eine "leichte Venenentzündung" hervorgerufen habe. Die Behandlung sei vor diesem Hintergrund insgesamt fehlerhaft gewesen. Die Spritzenbehandlung sei darüber hinaus nicht indiziert gewesen und hätte aufgrund des hohen Risikos einer Venenthrombose und einer Venenentzündung überhaupt nicht durchgeführt werden dürfen. Die angewandte Methode sei weiterhin nicht die Methode der Wahl gewesen. Vor der Behandlu...