Leitsatz (amtlich)
Eine Partei ist nicht säumig, wenn ihr kurzfristig erkrankter Prozessbevollmächtigter noch rechtzeitig einen Terminverlegungsantragt stellt, ohne die Umstände seiner Erkrankung konkret anzuführen und zu belegen. Vielmehr ist dem Verlegungsantrag dann regelmäßig stattzugeben oder im Anschluss an die Verhandlung Verkündungstermin anzuberaumen und dem Prozessbevollmächtigten Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen und ggf. Einreichen von Attesten zu geben (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - AnwZ (Brfg) 43/14).
Normenkette
ZPO §§ 227, 337
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 2 O 242/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.02.2018 verkündete Teil-Zweites-Versäumnisurteil und Teil-Erstes-Versäumnisurteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster mitsamt dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben, soweit mit ihm durch Teil-Zweites-Versäumnisurteil der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 18.09.2017 verworfen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Münster zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Mieten und Nebenkostenvorauszahlungsforderungen - soweit im Berufungsverfahren von Interesse - für die Zeit Januar 2017 bis einschließlich Juli 2017 in Anspruch. Die Beklagte, die schon andere Gewerberäumlichkeiten bezogen hat, verteidigt sich vornehmlich damit, dass ihr die Klägerin den Besitz vertragswidrig entzogen habe, indem sie ein Türschloss einer Eingangstür ausgetauscht und auch eigene Sachen in die Mieträume bzw. auf die Mietflächen der Beklagten gestellt habe. Mit ihrer vorliegenden Berufung wendet sich die Beklagte gegen ein gegen sie ergangenes Teil-Zweites-Versäumnisurteil des Landgerichts Münster.
Das Landgericht hat zunächst das schriftliche Vorverfahren angeordnet und in diesem am 18.09.2017 gegen die Beklagte ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erlassen, nachdem die Beklagte nach Zustellung der Klage und gerichtlichen Verfügung am 31.08.2017 keine Verteidigungsbereitschaft angezeigt hatte. Mit diesem Versäumnisurteil ist die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 8.412,54 EUR nebst diversen Zinsen verurteilt worden.
Nachdem die Beklagte gegen dieses ihr am 20.09.2017 zugestellte Versäumnisurteil rechtzeitig mit am 02.10.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt hatte, hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auch über den Einspruch auf den 20.12.2017 anberaumt.
Mit am 15.12.2017 vorab per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom 15.12.2017 hat die Beklagte Verlegung dieses Verhandlungstermins wegen eines kurzfristig erforderlich gewordenen stationären Aufenthalts ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Sie hat ausgeführt, einem Sozietätskollegen ihres Prozessbevollmächtigten sei eine Einarbeitung wegen erheblicher Termins- und Fristendichte nicht möglich. Das Landgericht ist dem Verlegungsantrag nachgekommen und hat den Verhandlungstermin auf den 14.02.2018, 12 Uhr verlegt.
Mit am 14.02.2018 um 8.05 Uhr eingegangenem Telefax hat die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten um (erneute) Terminverlegung gebeten, da der Prozessbevollmächtigte der Beklagten als alleiniger Sachbearbeiter dieser Angelegenheit leider erkrankt sei. Das Landgericht hat diesen Antrag unter Hinweis darauf abgelehnt, dass bei erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellten und mit plötzlicher Erkrankung begründeten Terminverlegungsanträgen der Beteiligte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Gründe für die Verhinderung so angeben und untermauern müsse, dass das Gericht die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst zu beurteilen vermöge. Diese Ablehnung ist der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten um 10.22 Uhr zugefaxt worden, ohne dass bis zu dem um 12 Uhr anstehenden Verhandlungstermin, an dessen Schluss sodann - nach zwischenzeitlicher Klageerweiterung - das streitbefangene Teil-Zweites-Versäumnisurteil ergangen ist, eine Reaktion erfolgt wäre.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, das Teil-Zweites-Versäumnisurteil sei verfahrensfehlerhaft ergangen und müsse daher aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück verwiesen werden. Die vom Landgericht angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei für Fälle wie den vorliegenden schon nicht einschlägig. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sei auch tatsächlich verhandlungsunfähig erkrankt gewesen. Seine Körpertemperatur habe am Morgen des 14.02.2018 39,8 Grad betragen. In Ermangelung einer zu dieser Zeit schon bestehenden ärztlichen Diagnose habe seine Kanzlei weitere Informationen an das Gericht nicht geben können. Eine ärztliche Untersuchung habe erst um 12 Uhr stattfin...