Leitsatz (amtlich)
1. Zur schuldhaften Versäumung als Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil im Sinne des § 514 Abs. 2 ZPO.
2. Zu den Voraussetzungen der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs gegen einen Richter wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 191/19) |
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 07.08.2020 verkündete zweite Versäumnisurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 191/19 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig der Ansicht, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung ebenfalls nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 und 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.
Das Landgericht hat den Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 29.05.2020 zu Recht durch das zweite Versäumnisurteil vom 07.08.2020 verworfen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung; das Rechtsmittel ist - soweit es zulässig ist - unbegründet.
1. Gegen das angegriffene zweite Versäumnisurteil ist die Berufung nur zulässig, soweit der Kläger seine Berufung darauf stützt, dass seine Säumnis im Einspruchstermin nicht schuldhaft gewesen sei. Soweit er im Übrigen auch geltend macht, bei dem zweiten Versäumnisurteil handele es sich um ein unzulässiges Teilurteil, ist dieser Einwand bereits unzulässig.
a) Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist nur insoweit statthaft, als sie auf die Unzulässigkeit des Versäumnisurteils gestützt wird, weil ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von der Schlüssigkeit der Darlegung dazu hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 18.02.2020 - XI ZB 11/19, NJW-RR 2020, 575, juris Rn. 8 m.w.N.). Die Regelung in § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO dient nicht allgemein der Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern, sondern stellt eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift dar, die lediglich die Überprüfung ermöglichen soll, ob eine schuldhafte Säumnis tatsächlich vorgelegen hat und mithin - zur Vorbeugung einer Verschleppung des Rechtsstreits - die Sanktion des endgültigen Rechtsverlusts gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2017 - IX ZR 81/17, juris Rn. 6; BGH, Beschluss vom 26.11.2015 - VI ZR 488/14, juris Rn. 16 m.w.N.).
b) Nach diesen Grundsätzen kann die Berufung schon nicht in statthafter Weise darauf gestützt werden, das angegriffene zweite Versäumnisurteil stelle - im Verhältnis zum (ersten) Versäumnisurteil gegen den Kläger vom 07.08.2020 - ein unzulässiges Teilurteil vor. Unabhängig davon verkennt der Kläger, dass selbst im Fall des Erfolgs des gegen das (erste) Versäumnisurteil eingelegten Einspruchs auch keineswegs die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht. Denn die Abweisung eines länger rechtshängigen Teils der Klageforderung, der bereits für sich genommen Gegenstand eines Versäumnisurteils gewesen ist, durch Prozessurteil aufgrund der wiederholten Säumnis des Klägers steht per se weder verfahrens- noch materiellrechtlich im Widerspruch zu einem nachfolgenden - etwaig klagestattgebenden - Sachurteil über die klageerweiternd geltend gemachte Forderung, die Gegenstand des anhängigen Einspruchs ist.
2. Der Kläger rügt mit der Berufung ohne Erfolg, dass ein Fall der schuldhaften Säumnis bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils durch die Kammer in der Sitzung vom 07.08.2020 nicht vorgelegen habe, weil sein Prozessbevollmächtigter infolge einer Erkrankung reise- und verhandlungsunfähig gewesen sei.
a) Eine Partei ist im Sinne von §§ 330 ff. ZPO säumig, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Bestimmung eines notwendigen Termins zur mündlichen Verhandlung nach Aufruf der Sache am hierzu bestimmten Ort nicht erscheint, bei notwendiger Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht durch einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist oder nicht zur Sache verhandelt (BGH, Beschluss vom 16.11.2015 - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75, juris Rn. 9 m.w.N.). Nicht schuldhaft ist die Säumnis, wenn die Partei an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins unverschuldet verhindert war (§§ 337, 233 ZPO, § 276 Abs. 2 BGB), mithin die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei gewahrt hat (BGH, a.a.O. m.w.N.).
b) Der Kläger ist gemäß § 345 ZPO im Einspruchstermin vom 07.08.2020 ausgeblieben. Es ist nicht festzustellen, dass er im Sinne von § 337 Satz 1 ZPO ohne sein Verschulden am Erscheinen gehindert war. Ein erheblicher Grund gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Verlegung des Einspruchstermins wurde von dem Klägervertreter in seinem Terminverlegungsantrag vom 06.08.2020, per EGVP-Versand ...