Leitsatz (amtlich)
1.) Der Stichentscheid des Rechtsanwalts gem. § 18 ARB 2000/§ 17 ARB 75 darf sich darauf beschränken, sich mit den Argumenten auseinander zu setzen, auf die der Versicherer seine Deckungsablehnung gestützt hat.
2.) Der Versicherer ist gehalten, in seiner Deckungsablehnung alle Gründe anzuführen, warum er keinen Rechtsschutz gewähren will.
Ist der Stichentscheid durch den Rechtsanwalt erfolgt, ist ein Nachschieben von weiteren Ablehnungsgründen nicht mehr möglich.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 09.06.2010; Aktenzeichen 4 O 391/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.6.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Beklagten werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Der Kläger verlangt von seinem Rechtsschutzversicherer die Übernahme der Kosten eines vorangegangenen Unfallversicherungsprozesses. Dabei streiten die Parteien insbesondere über die Bindungswirkung eines eingeholten Stichentscheides.
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung. In § 18 der zugrunde liegenden ARB war vereinbart, dass dem Versicherungsnehmer bei Verweigerung des Deckungsschutzes durch die Beklagte das Stichentscheidsverfahren offen stand.
Am 26.4.2007 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt. An diesem Tage nahm er als Betriebsratsvorsitzender an einer Sitzung teil, die von 9.30 Uhr bis etwa 12.00 Uhr dauerte. Nach dieser Sitzung arbeitete der Kläger noch bis 15.30 Uhr. Am Abend stellten sich gegen 21.30 Uhr bei ihm Kieferschmerzen ein, die sich in der folgenden Nacht verstärkten. Am folgenden Tage nahm der Kläger in der Zeit bis 14.00 Uhr noch einige Termine wahr, bis er sich danach bei seinem Zahn- und später bei seinem Hausarzt vorstellte. Dieser veranlasste seine Einlieferung ins Krankenhaus R, wo später ein Herzinfarkt festgestellt wurde.
In dem nachfolgenden Verfahren LG B verlangte der Kläger von seinem Unfallversicherer 350.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.7.2008. Er trug zur Begründung dieser auf der Basis einer 100%igen Invalidität erhobenen Klage vom 16.1.2009 vor, infolge des Herzinfarktes in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit vollständig und auf Dauer beeinträchtigt zu sein. Mit Schriftsatz vom 7.7.2009 reduzierte der Kläger seine Klage und beantragte nunmehr Zahlung von 49.000 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass nach einem ihm am 8.6.2009 bekannt gewordenen Gutachten des Dr. E von einem Grad der Behinderung von 40 % auszugehen sei und dieser Wert auch auf den Invaliditätsgrad der privaten Unfallversicherung zu übertragen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 10.7.2009 schlossen der Kläger und sein Unfallversicherer einen Vergleich, der zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche des Klägers aus dem Unfallereignis eine Zahlung von 5.000 EUR vorsah. Hinsichtlich der Kosten wurde vereinbart, dass der Kläger 98,5 % und der damals beklagte Unfallversicherer 1,5 % trugen.
Während des Vorprozesses verlangte der Kläger von der jetzigen Beklagten die Übernahme der durch den Prozess entstandenen Kosten. Dies lehnte sie mit Schreiben vom 5.2.2009 ab (Kopie Bl. 23 f.). Darin begründete die Beklagte ihre Entscheidung damit, dass die Betriebsratssitzung kein von außen wirkendes Ereignis sei und damit auch kein Unfall im Sinne der Bedingungen vorliege. Zugleich wies die Beklagte ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Stichentscheids nach § 18 ARB hin. Diese Anregung griff der Kläger auf und beauftragte seine Rechtsanwälte mit einer gutachterlichen Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten der Klage gegen den Unfallversicherer. In dem daraufhin erstatteten Gutachten vom 2.3.2009 kam die jetzige Prozessbevollmächtigte zu dem Ergebnis, dass der vom Kläger aufgrund der emotionalen Belastung in der Betriebsratssitzung erlittene Herzinfarkt einen Unfall im Sinne der vereinbarten Bedingungen darstelle (Kopie des Stichentscheids s. Bl. 25 - 28 der Akte). Gleichwohl lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme durch Schreiben vom 19.3.2009 ab, da der Stichentscheid offenbar von der Sach- und Rechtslage abweiche (Kopie Bl. 29 der Akte).
Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 7.683,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2009 zu zahlen und ihn von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten i.H.v. 6.666,62 EUR freizustellen. Im Übrigen hat der Einzelrichter die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die für einen Anspruch notwendige Erfolgsaussicht der Klage könne hier letztlich dahinstehen, da die Beklagte an den Stichentscheid vom 2.3.2009 gebunden sei. Der Ausnahmefall einer fehlenden Bindung wegen offenbarer Abweichung des Stichentscheids von der Sach- oder Rechtslage sei nicht gegeben. Die Frage, ob ein aufgrund von Stress einge...