Leitsatz (amtlich)

1. Überführungskosten stellen neben Gesamtfahrzeugschaden, Bergungskosten, Ersatzmietkosten, Privatgutachterkosten und sonstigen Kosten einen gesonderten teilanerkenntnisfähigen Streitgegenstand dar (in Fortführung zu BGH Urt. v. 7.6.2011 - VI ZR 260/10, r+s 2011, 357 Rn. 7 f.).

2. Begehrt der Geschädigte bei einem gewerblich genutzten Fahrzeug (statt Ersatz des konkret entgangenen Gewinns oder der konkreten Vorhaltekosten) Ersatz der konkreten für die Ersatzmiete angefallenen Kosten, muss er die Ersatzmiete nach dem Maßstab des § 286 ZPO beweisen; nur für die Erforderlichkeit bezüglich der Höhe und der Dauer der Ersatzmiete gilt § 287 ZPO.

3. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO besteht zum Zwecke der Verjährungshemmung nicht, wenn die Verjährung gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VVG bereits gehemmt ist und der Schädiger / Halter / Versicherer den Anspruch in keiner Weise bestreitet.

4. Ein späteres sofortiges Anerkenntnis nach Umstellung auf eine Leistungsklage ist indes ausgeschlossen, wenn der Schädiger / Halter / Versicherer sich gegen die Feststellungsklage nicht nur unter Verweis auf die bereits eingetretene Hemmung der Verjährung verteidigt hat, sondern dem geltend gemachten Anspruch in sonstiger Weise entgegen getreten ist - hier die Aktivlegitimation bestritten hat (in Fortführung zu BGH Beschl. v. 21.3.2019 - IX ZB 54/18, MDR 2019, 701 Rn. 7 ff.).

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Aktenzeichen 2 O 515/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 15.09.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Siegen, Az. 2 O 515/16, unter Zurückweisung der Berufung und der Anschlussberufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt (über das Anerkenntnisurteil vom 21.03.2018 hinaus), an die Klägerin 328.611,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2018 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin von sämtlichen Ansprüchen Dritter freizustellen, die gegen die Klägerin aus und im Zusammenhang mit dem Bahnübergangsunfall am 00.06.2013 in Z auf der Fahrt von Y nach X auf dem technisch gesicherten Bahnübergang (BÜ) in km 47.010 geltend gemacht wurden und werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürften die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Ansprüche nach einem unstreitig durch einen Lkw, dessen Halter die Beklagte zu 1 und deren Haftpflichtversicherer die Beklagten zu 2 ist, verursachten Unfall mit ihrem Eisenbahnzug geltend, der für den Zugführer unstreitig unabwendbar war.

Die Parteien streiten nach einem Teilanerkenntnisurteil über die insoweit bestehende Kostenlast und im Übrigen um die Schadenshöhe, soweit der anerkannte Betrag überschritten wird.

Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben und den Beklagten die Kosten vollständig auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Schadenshöhe stehe nach der Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens fest. Im Übrigen hätten die Beklagten die Klägerin vorprozessual nicht klaglos gestellt, so dass sie die Kosten insgesamt zu tragen hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags, der konkreten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Schlussurteil verwiesen (GA 476-495).

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen und ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - weiterverfolgen. Der Sachverständige habe wesentliche Begriffe der Schadensfeststellung verwechselt und das Privatgutachten der Beklagten aus den Augen verloren, das zu einem geringeren Schaden gekommen sei. Restwerterlöse und Kosten für die Bergung sowie den Ersatzzug seien bereits berücksichtigt gewesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung sowie die nachfolgenden Schriftsätze verwiesen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Schlussurteils über den anerkannten Betrag hinaus vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Landgericht habe im Umfang der Stattgabe zutreffend entschieden. Jedoch sei die Klageabweisung ganz überwiegend hinsichtlich des Fahrzeugschadens bezüglich der Fristarbeiten, hinsichtlich der Überführungskosten und der Anmietung des Ersatzfahrzeugs zu Unrecht erfolgt.

Im Wege der unselbstständigen Anschlu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge