Leitsatz (amtlich)
1. Der Schaden besteht bei der Baukostenüberschreitung in der Höhe der über den vorgesehenen Baukosten liegenden tatsächlichen Kosten. Dieser zu Lasten des Bauherrn gehende Mehraufwand ist um erlangte Wertvorteile zu bereinigen. Dazu gehört der durch den Mehraufwand gesteigerte Wert des Objekts.
2. Ein gegen den Architekten gerichteter Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Kostenermittlung oder sonst falscher Beratung bei der Kostenermittlung setzt voraus, dass der Bauherr die Schadensursächlichkeit der Vertragsverletzung nachweist.
3. Im Rahmen der Architektenhaftung wegen Baukostenüberschreitung kann sich der Bauherr nicht auf eine Vermutung für ein beratungsgerechtes Verhalten stützen.
4. Über die Baubetreuung hinausgehende allgemeine Beratungspflichten bei der Investitionsentscheidung treffen den Architekten grundsätzlich nicht.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 281, 311 Abs. 2, § 634 Nr. 4, §§ 633, 631
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 10.08.2012; Aktenzeichen 5 O 302/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.8.2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Siegen wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist Inhaberin einer Tierarztpraxis, die sie zunächst in ihrem Wohnort in D-M führte. Über die Sparkasse wurde sie auf ein Objekt in der Ortsmitte von D aufmerksam. Sie beabsichtigte, dort ihre Tierarztpraxis neu einzurichten und für sich selbst sowie für ihre Mutter jeweils eine Wohnung auszubauen. Wohnhaus und Tierarztpraxis in M sollten zur Finanzierung des Erwerbs veräußert werden.
Der Beklagte ist Bauingenieur und betreut unter der Firma C die Sanierung und Modernisierung von Altbauten. Nach Besichtigung des Objekts erstellte er am 12.10.2010 eine Kostenschätzung, die mit "Umbau Tierarztpraxis EG und Privatbad OG D" überschrieben war und mit einem Bruttobetrag von 77.350 EUR endete. Hierauf erteilte die Klägerin mündlich den Auftrag zur Betreuung des Bauvorhabens und zahlte ein Honorar von 5.000 EUR an den Beklagten.
In der Folgezeit wurden die Umbauarbeiten durchgeführt. Bis Sommer 2011 waren Baukosten von etwa 113.000 EUR aufgelaufen. Das beanstandete die Klägerin mit Schreiben vom 10.8.2011 und vom 25.8.2011. Unter dem 16.9.2011 übersandte sie dem Beklagten die eingegangenen Handwerkerrechnungen und nachfolgend eine Rechnungsaufstellung vom 29.9.2011, nach der sich die Kosten für Umbau und Renovierung auf 137.529,12 EUR beliefen.
Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte mit der kompletten Bauplanung und Bauleitung für das Bauvorhaben beauftragt worden sei. Die einschränkende Überschrift der Kostenschätzung habe nur steuerliche Gründe gehabt. In der Sache habe es sich bei dem darin ausgewiesenen Betrag um eine verbindliche Kostenobergrenze gehandelt, die auch Grundlage der Finanzierung durch die Sparkasse gewesen sei. Der Beklagte habe daher die Einhaltung der Kosten im Rahmen der Bauaufsicht und Auftragsvergabe sicherstellen und eine Überschreitung rechtzeitig bekanntgeben müssen.
Den ihr entstandenen Schaden hat die Klägerin mit 37.876,28 EUR beziffert. Hierzu hat sie Handwerkerkosten von 126.828,78 EUR berücksichtigt und der um einen Toleranzzuschlag auf 88.952,30 EUR erhöhten Kostenschätzung gegenüber gestellt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 37.876,28 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2011 zu zahlen,
2. den Beklagten weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt N, S-Straße, X, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. netto 1.192,60 EUR zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe ihn lediglich mit der Betreuung von Praxisumbau und Einbau eines Privatbades im Obergeschoss des Hauses beauftragt. Die Kostenschätzung umfasse deshalb nur diese Arbeiten. Der Renovierungsbedarf für die Wohnungen habe sich erst im Verlaufe der Bauarbeiten gezeigt. Um diese Arbeiten habe er sich nur aus persönlicher Verbundenheit gekümmert. Die Kosten seien nicht vorhersehbar gewesen und im Wesentlichen auf Sonder- und Änderungswünsche der Klägerin zurückzuführen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an der erforderlichen Darlegung des zwischen den Parteien vertraglich vereinbarten Leistungsinhalts. Auch sei die Vereinbarung einer verbindlichen Baukostenobergrenze nicht gegeben. Die Kostenschätzung sei nicht vorwerfbar unrichtig oder wegen vorhersehbarer Kostensteigerungen unvollständig. Ein etwaiger Vertrauensschaden sei nicht dargelegt worden.
Gegen d...