Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Notar zur Erfüllung seiner Anzeigepflicht gem. § 18 GrEStG eine inhaltliche falsche Erklärung eines Urkundsbeteiligten in einen notariellen Kaufvertrag auf, folgt allein hieraus keine Haftung gegenüber den Urkundsbeteiligten, weil die Regelung des § 18 GrEStG in Bezug auf diese nicht drittschützend ist. Eine Anzeigepflicht des steuerpflichtigen Urkundsbeteiligten nach § 19 GrEStG besteht unabhängig von und neben der Anzeigepflicht des Notars.
Weder aus § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG noch aus § 14 Abs. 1 S. 2 BeurkG ergibt sich eine allgemeine Amtspflicht des Notars, über etwaige (grunderwerbs-)steuerliche Folgen des zu beurkundenden Geschäfts zu belehren. Der Notar kann aber haften, wenn er dennoch falsch über Fragen des Steuerrechts belehrt oder wenn er aufgrund besonderer Umstände Anlass zu der Besorgnis haben muss (erweiterte Belehrungspflicht), einem Beteiligten drohe ein Schaden, weil er fälschlicherweise annimmt, die sich aus dem beurkundenden Geschäft ergebenden steuerlichen Fragen seien geklärt, und der Notar den Beteiligten nicht auf die Fehlvorstellung hinweist.
Normenkette
BNotO § 19 Abs. 1; GrEStG §§ 18-19
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 18 O 356/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 28.10.2020 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagten vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 89.123,48 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) als Notar und den Beklagten zu 2) als dessen amtlich bestellten Vertreter auf Schadensersatz wegen festgesetzter Grunderwerbssteuern und der ihm aufgrund eines Steuerstrafverfahrens entstandenen Kosten in Anspruch.
Der Kläger beabsichtigte mit einem Geschäftspartner drei gewerblich genutzte Grundstücke (G01, G02 und G03) in Z zu erwerben. Der Erwerb sollte über eine Unternehmensgesellschaft abgewickelt werden. Alleiniger Gesellschafter der P UG war ursprünglich der erstinstanzlich vernommene Zeuge A. Der Kläger erwarb am 11.01.2016 mit notariellem Vertrag des Beklagten zu 1) - entgegen der ursprünglichen Vorstellung des Klägers einer vollständigen Anteilsübernahme - zunächst nur vier von sechs Gesellschaftsanteilen der UG. Mit seinem Geschäftspartner, dem Zeugen B, vereinbarte er ein Treuhandverhältnis über zwei der erworbenen Anteile, welches in der Weise begründet wurde, dass die Geschäftsanteile zunächst an den Zeugen B abgetreten wurden, dann ein Treuhandvertrag vereinbart und dem Kläger die Geschäftsanteile zur treuhänderischen Verwaltung rückabgetreten wurden. Sodann erwarb die P UG, nunmehr bestehend aus dem Zeugen A und dem Kläger, ebenfalls am 11.01.2016 durch notariellen Kaufvertrag des Beklagten zu 1) die Immobilien in Z. Nach dem Erwerb fielen Grunderwerbssteuern an, die durch die UG beglichen wurden.
Vor Eintragung der P UG als Eigentümerin der Grundstücke in das Grundbuch beurkundete der Beklagte zu 2) am 12.02.2016 als amtlich bestellter Vertreter des Beklagten zu 1) zunächst einen Vertrag über eine Erhöhung des Stammkapitals der UG, was dazu führte, dass der Zeuge A 3 Anteile und der Kläger 6 Anteile der Gesellschaft hielt. Mit einem weiteren, von dem Beklagten zu 2) beurkundeten Vertrag vom 29.03.2016, Urk.Nr.u01/2016, erwarb der Kläger die restlichen Gesellschaftsanteile der P UG von Herrn A. Der Vertrag enthält unter Ziff.I.4 folgende Erklärung: "Im Hinblick auf die steuerlichen Beistandspflichten des Notars gegenüber der Finanzverwaltung auf dem Gebiet der Grunderwerbssteuer erklärt der Veräußerer, die Gesellschaft hat keinen Grundbesitz." Des Weiteren enthält die Urkunde unter Zif. IV.5 den Hinweis: "Hat die Gesellschaft Grundbesitz, ist Grunderwerbssteuer zu zahlen, wenn alle Geschäftsanteile in der Hand des Erwerbers oder mit ihm verbundenen Unternehmen vereinigt sind." Unter Ziff. IV.6 ist ausgeführt, dass der Notar zur steuerlichen Beurteilung der Vereinbarung nicht in der Lage ist und eine Beratung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe empfohlen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Übertragungsvertrag v. 29.03.20216, Urk.Nr. u01/16, Bl. 12 ff d.A., verwiesen. Der Beklagte zu 2) hatte dem Kläger vor der Beurkundung einen entsprechenden Vertragsentwurf übersandt. Im Beurkundungstermin wurde die Erklärung unter Ziff.I.4 des Übertragungsvertrags erörtert. In diesem Zusammenhang führte der Beklagte zu 2) ein Gespräch mit seinem Bürovorsteher. Des Weiteren hatte der Beklagte zu 2) vergeblich versucht, einen ihm bekannten Steuerberater zu erreichen, um zu klären, ob durch den Er...