Leitsatz (amtlich)
Das Überfahren einer Bordsteinkante gehört auch bei einem Sportwagen (hier: Porsche 911 GT3) zum normalen Betrieb eines Fahrzeuges. Kommt es beim Überfahren der Bordsteinkante zu einer Schädigung des Reifens, die sich im Laufe der Zeit ausweitet und dazu führt, dass der Reifen platzt, so liegt kein Unfall in der Kaskoversicherung vor.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 11.03.2013; Aktenzeichen 115 O 38/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.3.2013 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten geführten Kaskoversicherung geltend, nachdem an dem im Eigentum ihres Ehemannes stehenden Pkw Porsche 911 (Typ 996) GT3 CS am 27.6.2010 während einer Autobahnfahrt mit hoher Geschwindigkeit der linke hintere Reifen platzte und an dem Fahrzeug massive Schäden entstanden.
Der Ehemann der Klägerin, Herr P, befuhr am 27.6.2010 mit der Klägerin als Beifahrerin mit dem versicherten Fahrzeug die BAB 31 in Fahrtrichtung Bottrop mit sehr hoher Geschwindigkeit. In der Nähe von Lingen platzte der hintere linke Reifen des Pkw, der ein Herstellungsdatum der Streithelferin aus der 50. Kalenderwoche des Jahres 2000 trägt. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von ca. 43.700 km. Die Beklagte ersetzte nach Einholung von Gutachten Schäden, die durch das Aufsetzen des Fahrzeuges nach dem Platzen des Reifens entstanden waren. Sie lehnte jedoch die Regulierung solcher Schäden ab, die vor dem Aufsetzen durch Teile des beschädigten Reifens entstanden waren.
Die Klägerin hat behauptet, zu dem Schaden sei es gekommen, als die Insassen plötzlich einen Schlag verspürt und Sekundenbruchteile später durch ein heftiges Geräusch erschreckt worden seien. Es sei praktisch ausgeschlossen, dass ein Reifen ohne äußere Ursache platze. Wegen der hohen Geschwindigkeit sei das Platzen schon durch ein Schlagloch oder andere Hindernisse wie eine kleine Schraube oder andere Fremdkörper erklärlich. Das Alter der Reifen sei irrelevant gewesen. Ihr Ehemann habe vor der Fahrt noch den Luftdruck der Reifen kontrolliert. Jedenfalls seien sämtliche Schäden durch das Aufsetzen des Fahrzeuges auf dem Boden entstanden.
Die Klägerin hat einen ursprünglichen Feststellungsantrag bzgl. der Verpflichtung zur Erstattung von Mehrwertsteuer für erledigt erklärt und im Übrigen erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 19.789,34EUR sowie weitere 380EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.1.2011 zu zahlen abzgl. eines am 11.2.2011 gezahlten Betrages von 1.389,33EUR und eines am 13.7.2011 gezahlten Betrages von 872,98EUR;
2. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten i.H.v. 636,06EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.1.2011 zu zahlen;
3. ihr Auskunft zu erteilen, aus welchen Gründen die bedingungsgemäße Regulierung der Rechnung vom 11.2.2011 über das Auswechseln der Windschutzscheibe i.H.v. 1.212,86EUR abgelehnt werde.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat einen vor dem Aufsetzen des Fahrzeuges liegenden Unfall bestritten. Für das Platzen des Reifens seien verschiedene Ursachen denkbar, vorliegend insbesondere das Alter des Reifens bei geringer Laufleistung. Soweit sie Schäden nicht reguliert habe, seien diese durch das Aufschlagen von Reifenstücken auf die Karosserie entstanden.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten des Sachverständigen Prof. S, die dieser im Hinblick auf Stellungnahmen des Privatsachverständigen I ergänzt hat.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von Zinsen auf während des Rechtsstreits gezahlte Beträge verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass bereits das Platzen des Reifens durch ein von außen mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis verursacht worden sei. Soweit die Beklagte Schäden nicht ersetzt habe, seien diese durch rotierende Reifenteile verursacht worden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung wendet die Klägerin ein, es müsse eine äußere mechanische Einwirkung auf den Reifen zu dessen Platzen geführt haben. Im Übrigen seien die Versicherungsbedingungen intransparent, soweit Betriebsschäden vom Versicherungsschutz ausgenommen werden.
Die Klägerin beantragt, das am 11.3.2013 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie weitere 19.789,34EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.1.2011 sowie
2. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten i.H.v. 636,06EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.1.201...