Leitsatz (amtlich)
Wird auf Grund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein weiterer Eingriff erforderlich und fehlerhaft durchgeführt, hat der erstbehandelnde Arzt auch für diesen Behandlungsfehler grundsätzlich zu haften. Der Zurechnungszusammenhang kann dann unterbrochen sein, wenn der zweitbehandelnde Arzt die ärztliche Sorgfaltspflicht in außergewöhnlich hohem Maße verletzt (besonders grober Behandlungsfehler). Die Annahme allein eines groben Behandlungsfehlers unterbricht den Zusammenhang dagegen nicht.
Normenkette
BGB §§ 280, 823, 253
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 29.01.2014; Aktenzeichen I-6 O 91/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.1.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000,00 EUR nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB aus 45.000,00 EUR seit dem 01.11.2010 sowie aus weiteren 25.000,00 EUR seit dem 26.09.2012 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von jeglichen nicht vorhersehbaren künftigen materiellen Schäden freizustellen und jegliche nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf die fehlerhafte Behandlung ab dem 06.04.2009 zurückzuführen sind, sofern diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.160,00 EUR nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB aus 8.320,00 EUR seit dem 01.11.2010 sowie aus weiteren 21.840,00 EUR seit dem 26.09.2012 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung ihrer Leistungsfähigkeit fiktive Haushaltsführungskosten in Höhe von 156,00 EUR monatlich, beginnend mit dem Monat Januar 2014, zahlbar jeweils spätestens bis zum 05. Kalendertag des nachfolgenden Kalendermonats - nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB ab dem jeweils 6. Kalendertags, beginnend mit dem 6.2.2014 bis einschließlich zum 6.12.2016 - zu zahlen;
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 4.005,54 EUR nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 01.11.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten tragen die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 69 % und der Beklagten zu 31 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die am ... 1962 geborene Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Q Hospital in S in der Zeit vom 17.03.2009 bis zum 05.05.2009 auf Schmerzensgeld, Ersatz des Haushaltsführungsschadens, Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht und Herausgabe der Krankenunterlagen in Anspruch.
Nachdem am 17.03.2009 bei ambulanter Vorstellung der Klägerin im Hause der Beklagten die Diagnose eines Upside-Down-Stomach im Sinne einer großen Fornixkaskade gestellt worden war, und die Ärzte auch wegen des Leidensdrucks der Klägerin die Durchführung einer laparoskopischen Gastropexie empfohlen hatten, befand sich die Klägerin vom 02.04. bis zum 09.04.2009 in stationärer Behandlung bei der Beklagten. Am 06.04.2009 führte Dr. K die Operation durch, wobei im Operationsbericht beschrieben ist, dass der Fundus an das Zwerchfell mit Hilfe von 5 Nähten angenäht wurde.
Eine am 26.05.2009 in der radiologischen Praxis Dr. T3 durchgeführte Magen- und Darmpassage ergab, dass sich die Funduskaskade nur wenig kleiner als präoperativ darstellte. Die Klägerin begab sich deshalb am 29.06.2009 zur Revisionsoperation in das N-Hospital in I. Im Operationsbericht vom 06.07.2009 heißt es, dass sich eine Fixation von der Fundus-/Korpusgrenze über den Korpus an die ventrale Bauchwand fände, mit nicht viel resorbierbarem Nahtmaterial. Die Nähte wurden gelöst, wonach sich der Magen prall füllte.
Anfang November 2009 wurde im St. F Krankenhaus in S eine Pleuritis behandelt. Die Klägerin klagte über atemabhängige linksthorakale Schmerzen. Eine weitere Magen-Darm Passage in der Praxis Dr. T3 ergab am 28.04.2010 wiederum eine große hintere Funduskaskade. Die Klägerin wurde deshalb am 25.05.2010 im L-Krankenhaus S erneut operiert. Im oberen Magenanteil war der Fundus massiv ausgeweitet. An der Stelle, wo der Magen bei der ersten Operation an der Bauchwand fixiert war, hatte sich eine Narbe gebildet. Diese wurde entfernt, übergroße Fundusteile wurden reseziert.
Am 18.06.2010 zeigte eine erneute Magen-Darm Passage eine Stenose am Ösophagus Magenübergang. Im Juli 2010 wurde wiederum im L-Kra...