Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung eines VN bei durch Nichtzahlung der Versicherung unterbliebener Reparatur wegen der Möglichkeit, das Kfz in unrepariertem Zustand einem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorführen zu können
Leitsatz (amtlich)
1.) In der Kaskoversicherung besteht kein bedingungsgemäßer Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung.
2.) Wenn das Sachverständigenverfahren bedingungsgemäß als Recht des Versicherungsnehmers ausgestaltet ist, ist dessen Durchführung bei einem Streit über die Höhe nicht Fälligkeitsvoraussetzung für den Entschädigungsanspruch.
3.) Ein Anspruch auf Ersatz von Nutzungsausfall besteht auch dann nicht, wenn der Versicherer mit der Erbringung der Entschädigungsleistung in Verzug gerät und der Versicherungsnehmer von der Wiederherstellung der Nutzungsmöglichkeit durch Reparatur deshalb absieht, um sein Fahrzeug in unrepariertem Zustand dem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorführen zu können.
4.) Ein solcher Schadensersatzanspruch kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer pflichtwidrigen Verweigerung der Mitwirkung im bedingungsgemäßen Sachverständigenverfahren in Betracht.
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 18.06.2010; Aktenzeichen 4 O 42/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 18.6.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bochum wird zurückgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Der Kläger ist Eigentümer des Pkw Mercedes-Benz Coupé, CLS 320 CDI 7
G-Tronic/DPF, für das er bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung genommen hat, der die "Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) Stand 1.1.2008" (im Nachfolgenden: AKB der Beklagten Stand 1.1.2008) der Beklagten zugrunde liegen. Er verlangt Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung nebst Zinsen und Anwaltskosten.
Nachdem im Dezember 2008 das Kfz des Klägers durch Unbekannte erheblich beschädigt worden war, veranschlagte der von der Beklagten beauftragte Sachverständige X in seinem Gutachten vom 9.1.2009 die Kosten der Reparatur auf 17.306,13 EUR brutto.
Unter Hinweis auf eine von ihm eingeholte Auskunft einer Mercedes-Fachwerkstatt, wonach die Reparatur einen Aufwand von ca. 30.000 EUR erfordere, verlangte der Kläger von der Beklagten die Einholung eines unabhängigen Gutachtens, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 15.1.2009 eine erneute Besichtigung des Fahrzeugs anbot, wenn der Kläger das Fahrzeug in eine Fachwerkstatt verbringe.
In dem daraufhin seitens des Klägers mit Schriftsatz vom 22.1.2009 eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren (LG Bochum I-3 OH 1/09) ermittelte der Sachverständige Dipl.-Ing. L in seinem Gutachten vom 3.7.2009 einen Reparaturaufwand von 21.569,40 EUR netto bzw. 25.667,59 EUR brutto.
Auf die Zahlungsaufforderung des Klägers vom 13.7.2009 teilte die Beklagte mit Schreiben vom 20.7.2009 zunächst mit, die Zahlung von einer Überprüfung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens abhängig zu machen und zahlte am 20.8.2009 den Betrag von 20.489,66 EUR an den Kläger.
Der Kläger hat mit seiner Klage Nutzungsausfall für die Zeit vom 9.1.2009 bis zum 20.8.2009 (222 Tage zu je 79 EUR) verlangt. Die Beklagte habe vertragliche Pflichten aus der Kraftfahrversicherung verletzt, in dem sie versucht habe, die von ihr zu erbringende Versicherungsleistung durch eine vermeintlich objektive Feststellung zu seinen Lasten zu reduzieren; sie habe es noch nicht einmal für notwendig erachtet, den von ihr selbst festgestellten Betrag auszuzahlen. Der Kläger habe sein Fahrzeug in einem unreparierten, nicht fahrbereiten Zustand halten müssen, bis die Beklagte die Erklärung abgegeben habe, ihre Einwände auch gegen das gerichtliche Gutachten aufzugeben.
Der Kläger hat neben der Nutzungsausfallentschädigung von 17.539 EUR die Erstattung einer im selbständigen Beweisverfahren angefallenen anwaltlichen Verfahrensgebühr von 718,40 EUR sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten von 961,28 EUR verlangt.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und wegen der gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG Bezug genommen.
Das LG hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen und ausgesprochen, dass die Beklagte die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen habe. Die Klage gerichtet auf Erstattung der Verfahrensgebühr sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des anhängigen Rechtsstreits gehörten und deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen seien. Ein Anspruch des Klägers auf Nutzungsentschädigung folge weder aus dem Versicherungsvertrag noch aus den §§ 280 ff. BGB. Der Nutzungsausfall sei schadensrechtlich nur dann auszugleichen, wenn der Schädiger in den Gegenstand des Gebrauchs eingegriffen habe, woran es hier fehle, weil die von der Beklagten geschuldete Geldleistung dem Kläger zur freien Verfügung gestanden habe. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahr...