Leitsatz (amtlich)
1. Dem Kfz-Haftpflichtversicherer des Ersatzpflichtigen ist regelmäßig - d.h. selbst bei einfachen Sachverhalten - eine Bearbeitungsfrist von einigen Wochen einzuräumen. Wurden beide Unfallbeteiligte bei der Unfallaufnahme polizeilich verwarnt, ist dem Haftpflichtversicherer zuzubilligen, zunächst die Ermittlungsakten einzusehen. Eine Prüfungsfrist von vier Wochen ab Kenntnis des Unfalls stellt in einem solchen Fall eine Untergrenze dar.
2. Vor Ablauf der dem Haftpflichtversicherer zustehenden Prüfungsfrist tritt kein Verzug ein, auch Prozesszinsen können vorher nicht beansprucht werden.
3. Ist ein beschädigter Pkw nur saisonal zum Straßenverkehr zugelassen (sog. Saisonskennzeichen) und fällt die Reparatur teilweise in einen Zeitraum nach Ablauf der saisonalen Zulassung, fehlt es in dieser Zeit an dem für die Gewährung einer Nutzungsausfallentschädigung erforderlichen Nutzungswillen.
4. Für die Zeit, die der Gesschädigte im Falle eines sog. wirtschaftlichen Totalschadens benötigt, um sich für die Durchführung der (wirtschaftlich eigentlich nicht mehr sinnvollen) Reparatur zu entscheiden, kann er ebenfalls keine Nutzungsentschädigung beanspruchen.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 30.11.2009; Aktenzeichen 7 O 574/08) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Vorsitzenden der 7. Zivilkammer des LG Tübingen vom 30.11.2009 - 7 O 574/08 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 7. Zivilkammer des LG Tübingen vom 30.11.2009 - 7 O 574/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.040 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.454,09 EUR ab 13.10.2008 bis 24.10.2008 und aus 1.040 EUR ab 9.10.2009 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden außerdem als Gesamtschuldner verurteilt, 56,91 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 661,16 EUR ab 13.10.2008 bis 24.10.2008 und aus 56,91 EUR ab 25.10.2008 zu bezahlen.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen
Im Übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 6/7 und die Beklagten als Gesamtschuldner 1/7. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger ¾ und die Beklagten als Gesamtschuldner ¼.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.478,71 EUR.
(Berufung: 4.478,71 EUR
Anschlussberufung 1.170 EUR)
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden restlichen Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall, der sich am 16.9.2008 in R.-W. ereignete. Wegen des an seinem Pkw entstandenen Sachschadens holte der Kläger ein schriftliches Gutachten des Sachverständigenbüros M. ein, das auf den 24.9.2008 datiert. Mit Schreiben vom 26.9.2008 bezifferte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dessen Schaden ggü. der Beklagten Ziff. 2 mit insgesamt 11.176,13 EUR (Anl. K 5, Bl. 33 d.A.). In diesem Betrag war eine Nutzungsausfallentschädigung von 1.495 EUR enthalten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kündigte in dem Schreiben an, einen Nachweis des Nutzungswillens in Form eines Kaufvertrages eines Ersatzfahrzeuges vorzulegen. Zur Regulierung des Schadens setzte er eine Frist bis zum 10.10.2008. Am 1.10.2008 reichte er Klage über eine Hauptforderung von 9.681,13 EUR beim LG T. ein. Weiter beantragte er, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger Nutzungsausfall wegen des Verkehrsunfalls vom 16.9.2008 zu 100 % zu ersetzen. Seinen Schaden berechnet er in der Klageschrift wie folgt:
Fahrzeugschaden 8.900 EUR
Gebühren für Gutachter 756,13 EUR
Auslagenpauschale 25 EUR
Gesamtbetrag 9.681,13 EUR.
Mit Schriftsatz vom 21.10.2008 haben die Beklagten einen Betrag von 6.454,09 EUR hinsichtlich der Hauptforderung des Klägers und einen Betrag i.H.v. 603,93 EUR hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anerkannt und am 24.10.2008 einen Betrag von 7.058,34 EUR an den Kläger ausbezahlt.
In der Folgezeit hat der Kläger seinen Pkw reparieren lassen und macht zuletzt einen restlichen Schadensersatz von 5.648,71 EUR geltend. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Fahrzeugschaden |
10.900 EUR |
Gutachterkosten |
756,13 EUR |
Nutzungsausfall 27 Tage à 65 EUR |
1.755 EUR |
Auslagen |
25 EUR |
Gesamtschaden (ohne Rechtsanwaltskosten) |
13.436,13 EUR |
abzgl. anerkannter und bezahlter |
6.454,09 EUR |
abzgl. vorgerichtlich anerkannter und bezahlter |
1.333,33 EUR |
Restschaden |
5.648,71 EUR. |
Daneben hat der Kläger zuletzt noch einen Betrag von 295,47 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Im Übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt (Bl. 192 d.A.).
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen, insb. zum Unfallgeschehen, sowie wegen des Vorbringens der Parteien in I. Instan...