Leitsatz (amtlich)
1. "Entzug ohne Aussicht auf Wiedererlangung" als Versicherungsfall in der DTV-Güterversicherung 2000/2008 Volle Deckung kann auch vorliegen, wenn ein im Ausland ansässiger Unterfrachtführer das Gut unter Berufung auf ein eigenes Pfand- bzw. Befriedigungsrecht nicht an den versicherten Empfänger herausgibt, es an einem unbekannten Ort lagert und innerhalb der im Transportrecht geregelten Fristen auch bei Inanspruchnahme justizieller Hilfe nicht mit Wiedererlangung zu rechnen ist.
2. Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Versicherer in der DTV-Güterversicherung 2000/2008 Bestimmungen für die laufende Versicherung dem Versicherungsnehmer bzw. dem Versicherten gegenüber wegen einer erst nach Eintritt des Schadensfalls erfolgenden Anmeldung des Transports auf Leistungsfreiheit nach § 2 Abs. 2 S. 2 VVG berufen kann.
Normenkette
VVG §§ 2, 53-54, 130
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 O 425/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.11.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Arnsberg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für die Berufung: 15.000,00 EUR
Gründe
A. Die Klägerin beauftragte die H. C. T GmbH & Co. KG in F, im Folgenden Versicherungsnehmerin, am 13.6.2014 mit dem Transport von Leuchten im angegebenen Warenwert von 22.350,00 EUR von I/England nach F. Die Versicherungsnehmerin unterhielt u.a. bei der Beklagten als führendem Versicherer mit einem Anteil von 70% eine Warentransportversicherung des Tarifs "Transportversicherungsscheinplus". Grundlage dieser Versicherung waren u.a. die DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000 in der Fassung Januar 2008 (DTV Güter 2000/2008) Volle Deckung sowie die DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000 in der Fassung Januar 2008 (DTV Güter 2000/2008) - Bestimmungen für die laufende Versicherung. Nach dem weiteren Klauselwerk des "Transportversicherungsscheinplus" ("Geschriebene Bedingungen") traf die Versicherungsnehmerin eine Deklarationspflicht (Ziff. 6) gegenüber der Versicherungsmaklerin, der E GmbH; gem. Ziff. 2. des Nachtrags Nr. 01 vom 1.7.2008 zur Police wurde diese Deklarationspflicht dahingehend modifiziert, dass die zu versichernden Transporte "spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Risikobeginn zu melden" waren. Die Versicherungsnehmerin beauftragte am 17.6.2014 die 'Q Trans OÜ aus F2 mit dem Transport, die das Gut am selben Tag in England übernahm. Ebenfalls am 17.6.2014 wurde Rechtsanwalt H als vorläufiger Insolvenzverwalter (mit Zustimmungsvorbehalt) der Versicherungsnehmerin eingesetzt. Die Q stoppte, nachdem sie Kenntnis von der Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters erhalten hatte, den Transport wegen eigener Forderungen gegen die Versicherungsnehmerin aus früheren Aufträgen. Unter dem 19.6.2014 ließ sie der Versicherungsnehmerin eine Aufforderung zukommen, sämtliche offenen Rechnungen in einer Gesamthöhe von 176.856,37 EUR zu zahlen, und teilte mit, die übernommene Ladung bis zum Ausgleich zurückzuhalten, womit sie sich auf den Boden des geltenden Rechts befinde. Die Anmeldung des Transports durch die Versicherungsnehmerin gegenüber der gegenüber Versicherungsmaklerin geschah frühestens am 20.6.2014, der genaue Zeitpunkt ist streitig. Eine Auslieferung der Ware an die Klägerin erfolgte nicht mehr. Unter dem 30.6.2014 forderte die Klägerin in anwaltlicher Vertretung die Q Trans OÜ zur Übergabe bis zum 3.7.2014 (versehentlich ist der 3.6.2014) genannt auf und stellte anderenfalls gerichtliche Schritte in Aussicht. Darauf antwortete die Q Trans OÜ am 1.7.2014, indem sie das Herausgabeverlangen zurückwies. Am 1.8.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Versicherungsnehmerin eröffnet. Auf eine Aufforderung des Bevollmächtigten der Klägerin vom 5.11.2014 kam es am 12.11.2014 zu einer schriftlichen Erklärung des Insolvenzverwalters, wonach er ihr seine "Zustimmung" erteilte, "dass die J GmbH ... die Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der vorgenannten Schadennummer geltend machen" könne.
Die Klägerin hat behauptet, mit der Versicherungsnehmerin in ständiger Geschäftsbeziehung gestanden zu haben. Diese habe den Transport bereits am 20.6.2014 gegenüber der E GmbH angemeldet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, mit der Nichtauslieferung der Ware liege ein Totalverlust im Sinne von Art. 20 CMR vor.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 22.350,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.430,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.5.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Klägerin fehle die erforderliche Zustimmung des Insolvenzverwalters gem. § 110 VVG. Die Erklärung vom 12.11.2014 enthalte diese Erklärung nicht, sondern h...