Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 18 O 325/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.01.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die 1932 geborene Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch, nachdem sie am 25.06.2015 als Fahrgast in einer von der Beklagten in F betriebenen Straßenbahn gestürzt ist. Noch bevor die Klägerin einen festen Halt auf einem der Sitze gefunden hatte, fuhr die Straßenbahn an. Die Klägerin, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht festgehalten hatte, verlor dadurch das Gleichgewicht, schlug mit der linken Schulter gegen eine Wand, fiel sodann zu Boden und verletzte sich an der Schulter. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Klägerin persönlich angehört. Sodann hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 1 Abs. 1, 6 HPflG, weil ihr ein Verstoß gegen die Pflicht zur Eigensicherung zur Last falle und ein weit überwiegendes Mitverschulden der Klägerin vorliege, hinter dem die Gefährdungshaftung der Beklagten zurücktrete. Jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Gegen diese Pflicht habe die Klägerin verstoßen. Komme ein Fahrgast bei normaler Anfahrt zu Fall, spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen sei. Diesen Anscheinsbeweis habe die Klägerin nicht erschüttert. Unstreitig habe die Klägerin die Zeit vom Eintreten bis zum Anfahren nicht dazu genutzt, sich einen sicheren Halt zu verschaffen. Soweit die Klägerin behauptet habe, dass es ihr aufgrund des zeitigen Anfahrens der Straßenbahn gar nicht möglich gewesen sei, sich rechtzeitig zu setzen, stehe dieser Vortrag einem Verstoß gegen die Pflicht zur Eigensicherung schon deswegen nicht entgegen, weil eine Eigensicherung auch dadurch erfolgen könne, dass zunächst fester Halt an einer Haltestange gesucht werde. Insbesondere nach einem Betreten von öffentlichen Verkehrsmitteln bestehe die Pflicht, sich zunächst an im Eingangsbereich vorhandenen Haltevorrichtungen Halt zu verschaffen, um dem Anfahrtdruck zu widerstehen, soweit nicht sicher davon auszugehen sei, dass ein Sitzplatz noch vor dem Anfahren gefahrlos erreicht werden könne. Jedenfalls gegen diese Pflicht habe die Klägerin auch nach ihrem eigenen Sachvortrag verstoßen. Unmittelbar im Eingangsbereich der Straßenbahn seien Haltestangen vorhanden. Dass die Klägerin auch nur versucht habe, sich an ihnen festzuhalten, habe sie nicht behauptet. Zwar komme eine Mithaftung des Straßenbahnbetreibers in Betracht, wenn ein Sturz eines Fahrgastes auf einen konkreten Pflichtverstoß des Fahrers der Straßenbahn zurückzuführen sei. Eine solche Pflichtverletzung sei hier aber nicht festzustellen. Der Fahrer eines öffentlichen Verkehrsmittels dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Fahrgäste ihrer Verpflichtung zur Eigensicherung nachkommen. Er brauche sich deswegen vor dem Anfahren regelmäßig nicht zu vergewissern, ob sämtliche Fahrgäste dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachgekommen seien. Soweit in der Rechtsprechung hiervon dann eine Ausnahme gemacht werde, wenn Fahrgäste nach außen hin erkennbar in schwerwiegender Weise eingeschränkt seien, so liege eine derartige Ausnahmesituation hier nicht vor. Die Klägerin nutze zwar einen Gehstock. Sie sei aber ohne weiteres in der Lage, mit normaler Schrittgeschwindigkeit zu gehen. Darauf, ob die Gehbehinderung des Ehemannes der Klägerin ausreiche, um eine Wartepflicht der Fahrerin der Straßenbahn zu begründen, komme es nicht an. Denn die Verletzung einer etwaigen Wartepflicht gegenüber dem Ehemann der Klägerin sei nicht geeignet, den Mithaftungsanteil der Beklagten gegenüber der Klägerin zu vergrößern.
Ansprüche der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 611 BGB und § 831 BGB seien ebenfalls nicht gegeben.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klagebegehren weiter.
Sie rügt, das Landgericht habe zu Unrecht ein überwiegendes Eigenverschulden der Klägerin angenommen. Die Klägerin habe angegeben, dass sie sich in einer Bewegung hinunter auf den Sitz befunden habe, als die Straßenbahn angefahren sei. Das dem Landgericht vorgelegte Foto (Bl. 25 der Akte) zeige, dass es bei der von der Klägerin gewählten Sitzreihe keinerlei Festhaltemöglichkeiten gegeben habe. Ferner habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Ehemann der Klägerin an Unterarmgehstützen gegangen sei. Damit seien eine Unvorsichtigkeit und eine Pflichtverletzung der Fahrzeugführerin nachgewiesen.
Die Klägerin beantragt...