Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine telefonische Erreichbarkeit des Anbieters notwendig beim Anschluss von Fernabsatzverträgen
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 09.07.2003; Aktenzeichen 5 O 120/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.7.2003 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages beibringt.
Gründe
I. Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung i.S.v. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG zur Geltendmachung von verbraucherschutzgesetzwidrigen Praktiken (§ 2 UKlaG). Die Beklagte ist als Versicherer im Bereich der Kraftfahrtversicherung tätig; die Akquisition von Kunden erfolgt bei ihr bewusst und ausschließlich über das Internet. Auf ihren Seiten im Netz sind u.a. ihre Postanschrift sowie die E-Mail-Adresse angegeben. Eine Telefonnummer findet sich dort nicht. Erst nach Abschluss einer Versicherung teilt die Beklagte ihren Kunden eine Telefonnummer mit. Ein Interessent kann über die vorgehaltenen Anfragemasken jedoch auch individuelle Fragen an die Beklagte richten, die diese sodann durch Mitarbeiter bearbeitet; die Antwort versendet sie zeitnah an die E-Mail-Anschrift des Interessenten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, mit dem Unterlassen der Angabe einer Telefonnummer sei ein Verbraucherschutzgesetz i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UKlaG, hier § 6 S. 1 Nr. 2 TDG, verletzt, und meint, die darin geforderte Ermöglichung einer unmittelbaren Kommunikation verlange einen Informationsaustausch in "Rede und Gegenrede". Unmittelbare Kommunikation in diesem Sinne sei derzeit aber nur über das Telefon realisierbar. Dazu hat der Kläger auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/6098, 21, "Zu Nr. 2") verwiesen.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, eine unmittelbare Kommunikation zwischen den Interessenten und ihren Mitarbeitern i.S.v. § 6 TDG verlange ihre telefonische Erreichbarkeit nicht. Eine solche Kommunikation ermögliche sie vielmehr bereits über ihre Internet-Anfragemasken und die Beantwortung der Fragen durch ihre direkt erreichbaren Mitarbeiter.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Der Begriff der unmittelbaren Kommunikation des § 6 S. 1 Nr. 2 TDG sei im Sinne parallel-gleichzeitiger Kommunikation zu verstehen; aus dem Wortlaut ergebe sich eindeutig, dass die unmittelbare Kommunikation neben den elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten als etwas Zusätzliches gefordert werde.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien, ihrer dort gestellten Anträge und der Urteilsbegründung wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter und wiederholt ihre Auffassung, die Auslegung des § 6 S. 1 Nr. 2 TDG durch das LG sei unzutreffend. Diese beeinträchtige sie in ihren verfassungsmäßigen Rechten (Art. 12, 14 GG), weil sie ihr Geschäftsprinzip einer ausschließlich elektronischen Kommunikation in der Vertragsanbahnungsphase desavouiere.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000 Euro zu unterlassen, auf der Internetseite mit der Adresse www.deutscheinternetversicherung.de Angebote von Versicherungsleistungen zu unterbreiten und die Möglichkeit des Abschlusses von Versicherungsverträgen anzubieten, wie in der Anlage K2a-K5b wiedergegeben.
Der Kläger verteidigt das Urteil. Er meint, die telefonische Erreichbarkeit des Diensteanbieters sei zur Stärkung des Vertrauens in den elektronischen Geschäftsverkehr, aber auch zur Wahrung berechtigter Verbraucherinteressen unabdingbar.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen verwiesen. Der Senat hat Beweis durch Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Informatiker M. erhoben; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstatter-Vermerk Bezug genommen.
II. Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klage ist unbegründet.
1. Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen der Nichtangabe einer Telefonnummer existiert nicht. Er ergibt sich zunächst nicht aus §§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG, 312c Abs. 1, 312e Abs. 1 BGB, 1 BGB-InfoV, weil eine telefonische Erreichbarkeit des Unternehmers im Zusammenhang mit der Anbahnung bzw. dem Abschluss von Fernabsatzverträgen oder Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr nicht verlangt wird, wie auch der Kläger einräumt. Der Unterlassungsanspruch läs...