Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt der Versicherungsnehmer den Versicherer auf die Feststellung in Anspruch, dass die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung nach § 165 VVG nicht erfolgt ist, so trägt der Versicherer die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 165 VVG. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherungsnehmer Klage auf Feststellung des unveränderten Fortbestandes des Vertrages erhebt.
2. Ein Umwandlungsverlangen nach § 165 VVG verlangt eine klare und eindeutige Erklärung des Versicherungsnehmers, an der es fehlt, wenn der Versicherungsnehmer um zeitweilige "Beitragsaussetzung" nachsucht.
3. Nimmt der Versicherer zu Unrecht eine Umwandlung nach § 165 VVG vor, so ist er dem Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichtet. Der zu leistende Schadensersatz kann darin bestehen, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer so zu stellen hat, als sei dessen Stundungswunsch entsprochen worden.
Verfahrensgang
LG Münster (Entscheidung vom 24.02.2011; Aktenzeichen 115 O 180/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.02.2011 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die bei der Beklagten zugunsten des Klägers bestehende kapitalbildende Lebensversicherung nach dem Tarif K04M mit der Versicherungsscheinnummer in der durch den Nachtrag vom 18.04.2007 policierten Form weiter fortbesteht, wobei die Beiträge für die Beitragsstundung für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2009 von dem Deckungskapital abzuziehen sind.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung des Fortbestandes einer bei der Beklagten abgeschlossenen kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung. Im Kern streiten die Parteien darum, ob es im Jahre 2009 vor dem Hintergrund eines finanziellen Engpasses zu einer Beitragsfreistellung des Vertrages i.S.d. § 165 VVG bzw. § 6 Nr. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung der Beklagten mit der sich daraus ergebenden Folge einer Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung ohne Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsvertrages gekommen ist, nachdem der Kläger bei der Beklagten um Beitrags"aussetzung" gebeten hatte.
Hinsichtlich des in 1. Instanz vorgetragenen Sachverhalts wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Münster vom 24.02.2011 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen mit der Begründung, dass die Beklagte die Forderung des Klägers auf Beitrags"aussetzung" nur als Antrag auf Beitrags"freistellung" i.S.d. des § 6 Nr. 3 ihrer Versicherungsbedingungen habe verstehen können und der Vertrag vor diesem Hintergrund von ihr wirksam beitragsfrei gestellt worden sei. Ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses ohne erneute Gesundheitsprüfung bestehe daher nicht.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er rügt mit näherer Darlegung, das Landgericht habe zu Unrecht von der vom Kläger begehrten Beitrags"aussetzung" auf eine wirksame Betragsfreistellung geschlossen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die bei der Beklagten zugunsten des Klägers bestehende kapitalbildende Lebensversicherung nach dem Tarif K04M mit der Versicherungsscheinnummer in der durch den Nachtrag vom 18.04.2007 policierten Form weiter fortbesteht, wobei die Beiträge für die Beitragsstundung für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2009 von dem Deckungskapital abzuziehen sind.
Die Beklagte beantragt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Manfred W, Kai-Oliver B und Brigitte F-N. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.08.2011 sowie den Berichterstattervermerk vom 18.08.2011 Bezug genommen.
B. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung, dass die bei der Beklagten abgeschlossene kapitalbildende Lebensversicherung nach dem Tarif K04M mit der Versicherungsscheinnummer ... in der durch den Nachtrag vom 18.04.2007 policierten Form weiter fortbesteht, zu. Denn entgegen der Behauptung der Beklagten liegt keine wirksame Umwandlung des Vertrages in eine beitragsfreie Versicherung i.S.d. § 6 Nr. 3 ihrer Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung bzw. in eine prämienfreie Versicherung i.S.d. § 165 VVG vor.
1. Gemäß der mit der Überschrift "Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung" versehenen Regelung in § 6 Nr. 3 der einbezogenen AVB kann der Versicherungsnehmer - nicht hingegen der Versicherer - jederzeit die Befreiung von der Beitragszahlungspflicht ("Beitragsfreistellung") verlangen, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung...