Leitsatz (amtlich)

1. Der Streitwert einer Klage auf Unterlassen der Zusendung von E-Mails mit Werbeinhalten kann u.U. nur 100 EUR betragen.

2. Wird ein Gewerbetreibender, der irrtümlich eine E-Mail mit Werbeinhalten unverlangt an eine Privatperson versendet hat, zur Unterlassung verurteilt, richtet sich die daraus folgende Beschwer nach dem Nachteil, der sich aus der Befolgung der Unterlassungspflicht ergibt. Dieser kann u.U. mit nur 50 EUR zu bewerten sein.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 511 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 22.04.2013; Aktenzeichen 8 O 413/12)

 

Tenor

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1. gegen das am 22.4.2013 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Münster werden als unzulässig verworfen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin zu 2/3, dem Beklagten zu 1/3 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft im Zusammenhang mit der Zusendung einer Werbe-E-Mail geltend.

Die Beklagte zu 1. ist eine Kommanditgesellschaft, die Beklagte zu 2., eine GmbH, deren Komplementärin, die Beklagte zu 3. die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2.

Die Beklagte zu 1. übersandte einer ihrer Kundinnen über die E-Mail-Adresse X@t-online. de-Werbung, bis sie die Kontaktdaten dieser Kundin im Jahre 2006 dem Datenbestand passiver Kunden zuordnete, zu denen keine Werbekontakte mehr aufgenommen werden. Nachdem diese Kundin in der Folgezeit ihre E-Mail-Adresse aufgegeben hatte, wies die Deutsche Telekom diese E-Mail-Adresse der Klägerin zu. Nachfolgend wurden die Kontaktdaten der vorerwähnten Kundin aufgrund eines Programmierfehlers wieder dem Bestand aktiver Kunden zugewiesen.

Am 23.8.2012 um 20.20 Uhr erhielt die Klägerin unter der genannten E-Mail-Adresse eine E-Mail der Beklagten zu 1., in der diese für auf der Internetseite N-Q-. de angebotene Ware warb. Die Klägerin ließ die Beklagte zu 1. daraufhin mit anwaltlichem Schreiben abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung von 627,13 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Fristsetzung bis zum 14.9.2012 auffordern. Die Beklagten löschten daraufhin "physisch" die gespeicherten Daten der Klägerin. Eine darüber hinausgehende Reaktion erfolgte nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

1. a) es der Beklagtenseite bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagten zu 1. und 2. an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit der Klägerin zur Aufnahme eines geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass ihre ausdrückliche Einwilligung vorliegt;

b) die Beklagtenseite zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu geben, welche Daten zu ihrer Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten übermittelt wurden bzw. werden;

5. die Beklagtenseite zu verurteilen, an sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren (1,5 Gesch.-geb. Nr. 2300 RVG-VV, Postpauschale Nr. 7002 RVG-VV und USt) aus dem endgültig festgesetzten Streitwert zu bezahlen;

6. die Beklagtenseite zu verurteilen, den von ihr - der Klägerseite - verauslagten Gerichtskostenvorschuss ab Eingang bei Gericht mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. zu verzinsen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zu 1. auf Unterlassung der Aufnahme eines geschäftlichen Kontaktes per E-Mail zu Werbezwecken sowie zur Auskunftserteilung verurteilt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2. und 3. hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und verfolgt ihre erstinstanzlich gestellten Anträge mit einer geringfügigen Einschränkung (vorgerichtliche Anwaltskosten: nur noch 1,3-facher Satz) weiter. Die Klägerin meint, dass auch die Komplementärin und ihre Geschäftsführerin für die Zusendung der E-Mail verantwortlich seien.

Die Beklagte zu 1. hat ihrerseits gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt und begehrt vollständige Klageabweisung.

Die Klägerin ist sie der Auffassung, die Berufung der Beklagten zu 1. sei nicht zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR nicht übersteige.

II. Beide Berufungen sind unzulässig, weil der jeweilige Wert des Beschwerdegegenstandes in beiden Fällen 600 EUR nicht üb...

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