Leitsatz (amtlich)
Eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz kann in Fällen, in denen ein gutes und gelebtes Nachbarschaftsverhältnis besteht und noch fortbesteht, durch Übertra-gung der von dem Bundesgerichtshof seit dem Jahre 2000 entwickelten, und in der Folgezeit fortgeführten und konkretisierten Rechtsprechung zu einem Regressverzicht des Gebäudeversicherers im Verhältnis zu einem haftpflichtversicherten Mieter oder sonstigen unentgeltlichen Nutzungsberechtigten nicht angenommen werden.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; VVG § 86
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 17.12.2014; Aktenzeichen 12 O 192/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.12.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Münster teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.312,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2013 zu zahlen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen und die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin, der Gebäude- und Hausratversicherer des Zeugen L, nimmt Regress bei dem haftpflichtversicherten Beklagten für die ihrem Versicherungsnehmer anlässlich eines Wasserschadens vom 07./08.08.2013 erbrachten Versicherungsleistungen. Einer langjährigen Übung entsprechend, übernahmen die Eheleute L und der benachbarte Beklagte mit seiner Ehefrau wechselseitig die Bewässerung der Hausgärten in der urlaubsbedingten Abwesenheit des jeweils anderen. Während des Urlaubs der Eheleute L trat aus dem in deren Garten gelegenen Teich Wasser über, welches durch einen Lichtschacht in die Kellerräume des Hauses eindrang. Die Bewässerung des Gartens erfolgte in Absprache mit dem Zeugen L stets in der Weise, dass der Beklagte das Wasser aus dem Teich entnahm, und diesen anschließend über einen an der Außenwasserstelle angeschlossenen Schlauch, dessen Ende unterhalb der Wasseroberfläche lag, auffüllte. Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses sei die Haftung in der Regel auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung gelte dann nicht, wenn der Schädiger haftpflichtversichert sei. Eine Haftungsbeschränkung greife in Fällen, wie dem vorliegenden, im Sinne einer Gegenausnahme aber dann nicht ein, wenn der Schaden - wie hier - durch einen Gebäude- und Hausratversicherer ausgeglichen worden sei. Ebenso wie im Verhältnis des Gebäudeversicherers des Vermieters zum haftpflichtversicherten Mieter, in dem der Bundesgerichtshof mit Rücksicht auf das auf lange Jahre angelegte Mietverhältnis eine Haftungsbeschränkung annehme, müsse auch das gute nachbarschaftliche Verhältnis von solchen Spannungen freigehalten werden, die durch die Verpflichtung der Parteien zur Unterstützung ihres jeweiligen Versicherers entstehen könnten.
Gegen dieses Urteil, auf das gem. § 540 ZPO Bezug genommen wird, soweit sich aus dem Nachstehenden nichts anderes ergibt, richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II. Die Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 7.312,81 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.11.2013 gem. § 823 Abs. 1 BGB iVm § 86 VVG, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.
I. Vertragliche Ansprüche aus übergegangenem Recht des Zeugen L stehen der Klägerin nicht zu, weil eine über ein reines Gefälligkeitsverhältnis hinausgehende schuldrechtliche Verbindung mit Blick auf die bloße Erbringung von Bewässerungsleistungen von den Eheleuten L und dem Beklagten nicht begründet werden sollte. Die Übernahme der Bewässerung des Gartens eines Nachbarn während dessen längeren Abwesenheit gehört zu den alltäglichen unentgeltlich erbrachten Gefälligkeiten im Rahmen einer intakten nachbarschaftlichen Gemeinschaft.
II. Nach der Überzeugung des Senats ist es durch das Verhalten des Beklagten zum Überlaufen des Teichs und dem Eindringen des übergetretenen Wassers in das Kellergeschoss des Hauses des Zeugen L über einen Zeitraum von ca. 24 Stunden gekommen. Der Beklagte hat geschildert, dass er am Abend des 07.08.2013 wie stets zuvor nach der Wasserentnahme den Teich durch Aufdrehen des Außenwasseranschlusses gefüllt habe. Er habe allerdings keine konkrete Erinnerung daran, ob er den Wasserhahn danach - wie sonst üblich - auch abgesperrt habe. Es verbleiben nach Überzeugung des Senats keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Beklagte infolge Unaufmerksamkeit am Abend des 07.08.2013 ...