Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Einkünfte - Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Höhe der Zurechnung fiktiver Einkünfte eines Unterhaltspflichtigen ohne qualifizierte Ausbildung beim Kindesunterhalt; Obliegenheit zur Ausübung einer Nebenerwerbstätigkeit
2. Umfang der Herabsetzung des eigenen notwendigen Selbstbehalts bei Zusammenleben mit einem Partner, der Sozialleistungen bezieht
Normenkette
BGB § 1603
Verfahrensgang
AG Herne-Wanne (Urteil vom 03.02.2009; Aktenzeichen 3 F 321/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3.2.2009 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Herne-Wanne wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufung: 2.455,44 EUR
Gründe
(abgekürzt nach § 540 Abs. 1 ZPO):
I. Die minderjährige Klägerin nimmt ihre Mutter, die Beklagte, auf Unterhalt in Anspruch.
Die 1995 geborene Klägerin ist das einzige Kind der Beklagten aus deren im Jahre 2003 geschiedener Ehe mit dem Kindesvater. Umgangskontakte zwischen den Parteien bestehen nicht. Die Klägerin, die seit der Trennung der Eltern im Haushalt ihres Vaters lebt, geht noch zur Schule. Sie erhält Leistungen nach dem SGB II. Eine Inkassozession liegt vor. Die 1973 geborene Beklagte führte eine nach ihrem Hauptschulabschluss begonnene Lehre im Lebensmittel-Einzelhandel nicht zu Ende, weil sie die schriftliche Prüfung wiederholt nicht bestand. Während des ehelichen Zusammenlebens war sie ab 1998 geringfügig als Packerin bei einer Supermarktkette beschäftigt. Danach war sie für ein Jahr bei der X als Hilfe in Privathaushalten im Umfang von 30 Wochenstunden tätig. Im Zuge der Trennung und Scheidung verzog sie im Oktober 2003 nach E. Dort erhielt sie zunächst SGB II-Leistungen und bezog ab 2005 aus geringfügiger Tätigkeit als Reinigungskraft weitere 160 EUR monatlich. In der Folgezeit stockte sie ihre Reinigungstätigkeit nach und nach auf. Derzeit arbeitet sie für zwei Arbeitgeber zu einem Stundenlohn von brutto 8,15 EUR und erhält monatlich insgesamt zwischen 750 EUR und rund 900 EUR netto. Ausweislich ihrer Darstellung im Schriftsatz vom 3.9.2009 belaufen sich ihre täglichen Arbeitszeiten montags, mittwochs und freitags auf jeweils 6 Stunden 40 Minuten sowie dienstags und donnerstags auf jeweils 3 Stunden 10 Minuten. Sie lebt eheähnlich mit einem Partner zusammen, der seinerseits Sozialleistungen bezieht.
Bereits unter dem 12.8.2005 forderte die Klägerin ihre Mutter zur Auskunftserteilung auf. Mit Schreiben vom 9.6.2008 nahm die Klägerin ihre Mutter neuerlich auf Auskunft und Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch.
Die Klägerin hat Unterhalt für die Zeit ab Juni 2008 i.H.v. monatlich 288 EUR und ab Januar 2009 i.H.v. 295 EUR verlangt.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, nicht leistungsfähig zu sein. Sie habe sich um Arbeitsstellen bemüht, doch seien ihre Bewerbungen unbeantwortet geblieben oder abschlägig beschieden worden. Eine weitere Ausdehnung ihrer Tätigkeiten bei den beiden jetzigen Arbeitgebern sei nicht möglich.
Das Familiengericht hat der Klage mit Urteil vom 3.2.2009, der Beklagten am 12.3.2009 zugestellt, stattgegeben und ausgeführt, die Beklagte sei in der Lage, den verlangten Mindestunterhalt zu zahlen, wenn sie einer vollschichtigen Tätigkeit mit einem Stundenlohn von 8,15 EUR brutto sowie einer Nebentätigkeit im Umfang von weiteren 165 EUR monatlich nachgehe.
Mit ihrer am 24.3.2009 eingelegten und innerhalb der bis zum 12.6.2009 verlängerten Frist begründeten Berufung verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit sie zu einem monatlichen Unterhalt von mehr als 147,68 EUR verurteilt worden ist, weiter. Sie meint, das Familiengericht habe die Anforderungen, die an die Zuschreibung eines fiktiven Einkommens zu stellen seien, verkannt. Als ungerlernter weiblicher Arbeitskraft sei ihr im Regelfall ohnehin nur eine Tätigkeit im Gebäudereinigungsbereich möglich. Die Arbeitgeber stellten, wie Auskünfte der Handwerks- bzw. der Industrie- und Handwerkskammer belegen mögen, jedoch "so gut wie nie" Vollzeitkräfte ein. Abgesehen davon sei es allenfalls gerechtfertigt, eine vollschichtige Tätigkeit, die sich auf 172 Stunden im Monat bemesse, mit einem Stundenlohn von 8,15 EUR brutto zu unterstellen. Daraus errechne sich ein Brutto-Einkommen von 1.401,80 EUR, das einem Netto-Einkommen i.H.v. 1.008,09 EUR entspreche. Abzüglich fiktiv anzusetzender berufsbedingter Aufwendungen verblieben 957,68 EUR. Werde noch der notwendige Selbstbehalt von 900 EUR auf 810 EUR reduziert, dann stünden für den Kindesunterhalt 147,68 EUR monatlich zur Verfügung. Die Beklagte meint, eine Nebentätigkeit sei ihr daneben nicht mehr abzuverlangen, wie sich auch aus der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG ergebe. Die Beklagte beruft sich ferner auf den Wegfall ihrer gesteigerten Unterhaltspflicht gem. § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB und macht dazu geltend, der Vater der Klägerin sei ein anderer leistungsfähiger Verwandter im Sinne dieser Vorschrift.
Die Klä...