Leitsatz (amtlich)
Konkludente Beschaffenheitsvereinbarung über die Einstufung eines Pferdes in Röntgenklasse II nach Durchführung einer Ankaufsuntersuchung.
Normenkette
BGB §§ 433, 434 Abs. 1, § 437
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 14.09.2010; Aktenzeichen 16 O 474/09) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 14.9.2010 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Gemäß § 540 I ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung rügt der Beklagte, dass das Pferd entgegen der Ansicht des LG bei Übergabe an die Klägerin nicht mangelbehaftet gewesen sei.
Allein ein Röntgenbefund nach Klasse III gebe das nicht her. Hinzu kommen müssten darauf beruhende klinische Erscheinungen. Solche seien nicht erwiesen. Das Pferd sei bis zur Übergabe voll sporttauglich gewesen, wie sich aus seinen Erfolgen bei Turnieren und der Ankaufsuntersuchung des Tierarztes Dr. S ergebe. Auch die Klägerin habe es nachher noch zweimal erfolgreich eingesetzt. Die jetzt vorhandene Lahmheit beruhe darauf, dass die Vorderhufe des Pferdes bei der Klägerin nicht speziell, nämlich die Divergenz rechts und Konvergenz links ausgleichend, behandelt worden seien, wie das bis zu Übergabe geschehen sei. Ein solcher Beschlag hätte die Probleme vermeiden können.
Der Beklagte beantragt, abändernd die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben, indem er den Sachverständigen Dr. T ergänzend zu seinem erstatteten Gutachten angehört hat; wegen des Beweisergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk vom 18.2.2011 verwiesen.
II. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das LG hat der Klägerin zu Recht die geltend gemachte Klageforderung zuerkannt.
1. Der Anspruch ergibt sich zwar nicht infolge Anfechtung des Kaufvertrages wegen Irrtums oder wegen Täuschung nach den §§ 812 I 1, 142 I, 119 II bzw. 123 BGB. Die erklärte Anfechtung greift nicht durch, weil nicht vom Vorliegen eines Anfechtungsgrundes ausgegangen werden kann. Ein hinsichtlich § 119 BGB allein in Betracht kommender Irrtum über die Sporttauglichkeit des Pferdes ist über das speziellere Gewährleistungsrecht abzuwickeln, da es um einen Mangel bei Gefahrübergang geht (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 119 Rz. 28 m.w.N.).
Eine Täuschung durch den Beklagten hat die Klägerin nicht schlüssig gemacht, weil aus den nachfolgenden Gründen davon auszugehen ist, dass er, ebenso wie sie, das mitgeteilte tierärztliche Untersuchungsergebnis des Dr. S übernommen und dem Abschluss des Kaufvertrages zugrunde gelegt hat. Dass er anderweitig über bessere Erkenntnisse verfügt hätte, hat die Klägerin nicht substantiiert behauptet.
2. Die Klägerin kann jedoch wegen wirksamen Rücktritts vom Vertrag die zuerkannte Rückzahlung des Kaufpreises und daneben Schadensersatz statt der Leistung nach den §§ 434 I 1, 437 Nr. 2 bzw. Nr. 3, 440, 280 I, 281 I, 323, 325, 346 BGB verlangen.
a) Das streitgegenständliche Pferd war bei Übergabe am 22.11.2008 mangelhaft.
Es entsprach nicht der Beschaffenheitsvereinbarung, wonach es ohne weiteres sporttauglich und das Risiko einer künftigen gesundheitsbedingten Veränderung insoweit vernachlässigbar gering sein sollte. Das Risiko war deutlich höher, als übereinstimmend von den Parteien angenommen und vertraglich als Beschaffenheit des Pferdes vereinbart.
Die Beschaffenheitsvereinbarung ergibt sich konkludent aus den Umständen.
Unstreitig war dem Beklagten bekannt, dass der Erwerb des Pferdes für die Klägerin von der tierärztlichen Ankaufsuntersuchung und deren, beiden Seiten zuvor mitgeteiltem, Ergebnis abhing. Ob die Ankaufsuntersuchung nur dem Zweck der Entscheidungshilfe und -grundlage für die Kaufentscheidung des Käufers dient (vgl. zuletzt OLG Hamm NJW-RR 2011, 66) oder Basis bzw. Gegenstand einer Beschaffenheitsabrede geworden ist, ist Frage der getroffenen Vereinbarungen unter Auslegung aller Umstände des Einzelfalls (§§ 133, 157 BGB). Hier hat der Beklagte das Untersuchungsergebnis nicht lediglich zur Kenntnis genommen, sondern es gemeinsam mit der Klägerin zum Vertragsinhalt bestimmt, indem das Pferd übereinstimmend die vorgenannte Eigenschaft haben sollte; damit ist es zur Beschaffenheitsvereinbarung gekommen (vgl. BGH NJW 2009, 2807 f.).
Der Tierarzt Dr. S ...