Leitsatz (amtlich)
Unter mehreren gleichwertigen Operationsverfahren, darf der Arzt diejenige wählen, die er am besten beherrscht. Für die Operation des Hallux Valgus hat sich noch kein Verfahren als "Golden Standard" durchgesetzt. Entscheidet sich der Arzt für das von ihm am besten beherrschte Operationsverfahren, ist er nicht verpflichtet, den Patienten über alternative Operationsverfahren aufzuklären.
Auch unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts wäre der fachunkundige Patient mit einer solchen Auswahl-Entscheidung unter bis zu 200 Operationsverfahren überfordert.
Normenkette
BGB §§ 280, 253
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 24.04.2013; Aktenzeichen 6 O 329/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.4.2013 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die am... 1960 geborene Klägerin begehrt von den Beklagten wegen vermeintlicher orthopädischer Behandlungsfehler im Rahmen einer Hallux-Valgus-Operation in der Hauptsache die Zahlung eines mit mindestens 25.000 EUR für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes und die Feststellung weiter gehender Ersatzpflicht.
Die Klägerin, die unter einem Schiefstand der großen Zehen beider Füße (Hallux Valgus) litt, ließ sich im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Krankenhaus der Beklagten zu 1) vom 04. bis zum 7.3.2008 durch den Beklagten zu 2) am rechten Fuß im Wege der distalen Osteotomie nach Chevron behandeln. Der Folgezeit bildete sich bei der Klägerin ein Rezidiv.
Die Parteien haben erstinstanzlich insbesondere darüber gestritten, ob allein eine proximale Osteotomie indiziert gewesen sei, ferner ob die stattdessen gewählte distale Operationsmethode lege artis durchgeführt worden sei. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, dass Ihre Einwilligung in den Eingriff unwirksam sei, weil sie über die unterschiedlichen Operationsmethoden und die Vorzugswürdigkeit der proximale Methode nicht aufgeklärt worden sei.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. N nebst mündliche Erläuterung abgewiesen.
Behandlungsfehler seien nicht festzustellen. Die Operation sei indiziert gewesen. Die gewählte Methode unterfalle bei den gegebenen Winkelverhältnissen dem Ermessen des Operateurs. Sie sei lege artis durchgeführt worden; die erreichte Winkelkorrektur liege dabei im Toleranzbereich. Die von der Klägerin ansonsten gerügten Beeinträchtigungen seien als schicksalhafte Komplikationen zu bewerten.
Die Aufklärung sei angesichts der beabsichtigten Vorgehensweise ausreichend gewesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die das erstinstanzliche Begehren weiter verfolgt.
Sie macht weiterhin geltend, dass bei dem bei ihr vorliegenden Intermetatarsalwinkel von mehr als 15 Grad - hier 17 Grad - die zudem auch risikoärmere körpernahe (proximale) Osteotomie indiziert und die risikoreichere körperferne (distale) Osteotomie kontraindiziert und unnütz gewesen sei. Sie behauptet darüber hinaus, dass die Reduzierung der Fehlstellung auf nur 14 Grad Intermetatarsalwinkel fehlerhaft sei. Gegebenenfalls hätte eine kombinierte Operation (körpernah und körperfern) zu einem normalen Intermetatarsalwinkel von 5 - 8 Grad geführt, was das Rezidiv vermieden hätte. Über diese Möglichkeit hätte sie aufgeklärt werden müssen. Sie hätte sich dann für die kombinierte Methode entschieden.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, dass indes nicht unter 25.000 EUR liegen sollte, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit;
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen weiteren materiellen wie immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus der Fehlbehandlung in dem Zeitraum vom 04.3. bis 7.3.2008 entstanden ist oder noch entstehen wird, sofern die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Die Operation sei indiziert gewesen, die Methode fachgerecht ausgewählt und die Operation lege artis ausgeführt worden. Die Herstellung eines normalen Winkels wäre durch eine kombinierte Vorgehensweise (körpernahe und körperfern) nicht zu erreichen gewesen.
Die Klägerin sei auch hinreichend über die Risiken aufgeklärt worden. Über die Art der Osteotomie sei nicht aufzuklären gewesen, weil die Wahl der Methode Sache des Operateurs gewesen sei und ei...