Leitsatz (amtlich)

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB setzt ebenso wie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift die Störereigenschaft des Anspruchsgegners voraus.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Störereigenschaft trägt grundsätzlich der geschädigte Anspruchsteller, dessen Eigentum durch übergreifende Flammen vom Nachbargrundstück beeinträchtigt worden ist. Eine Verlagerung der Beweislast kann nicht bereits auf unzumutbare Anforderungen an einen Negativbeweis oder fehlende Sachnähe zu den Gegebenheiten auf dem Nachbargrundstück gestützt werden.

Die Darlegungs- und Beweislast bezieht sich allerdings auf einen an die Besonderheiten des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses angepassten Störerbegriff. Danach ist entscheidend, ob die Einwirkung im Einzelfall wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers des Nachbargrundstücks zurückgeht und Sachgründe vorliegen, die eine Schädigung seinem Verantwortungsbereich zuordnen und ihm eine Pflicht zur Verhinderung auferlegen (Anschluss an BGH, Urt. vom 1.4.2011 - V ZR 193/10, NJW-RR 2011, 739; Urt. vom 18.9.2009 - V ZR 75/08, NJW 2009, 3787; Urt. v. 28.11.2003 - V ZR 99/03, NJW 2004, 603, 604; Urt. v. 14.11.2003 - V ZR 102/03, BGHZ 155, 33, 42; Urt. v. 12.12.2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1036).

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO muss nicht jede gegen die Überzeugung des Tatrichters sprechende theoretische Möglichkeit der Verursachung ausgeschlossen werden. Verbleiben nach durchgeführter Beweiswürdigung zur Überzeugung des Gerichts nur Möglichkeiten, die zu einer Störereigenschaft führen, kann die Haftung darauf gestützt werden, ohne dass geklärt werden muss, welche der verbleibenden Ursachen die Emission hervorgerufen hat.

 

Normenkette

BGB § 906 Abs. 2 S. 2; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 20.04.2012; Aktenzeichen 16 O 49/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.4.2012 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Bielefeld insoweit abgeändert, dass der Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wird.

Der Rechtsstreit wird - insoweit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils -zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs an das LG Bielefeld zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht angeblich auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche nach einem Brand in der Nacht vom 3.9.2005 auf den 4.9.2005 geltend.

Die Beklagten waren Eigentümer des Reihenmittelhauses S-Straße 10e in M2. Sie feierten am Abend des 3.9.2005 ein Grillfest mit Gästen, an dem auch Kinder teilnahmen. Gegrillt wurde auf einem gemauerten Grill mit Kaminabzug im Garten. Nach Ende des Grillens wurde in dem Grill ein offenes Feuer entfacht, damit dort die Kinder an Holzspießen u.a. Stockbrot backen konnten.

Nachdem der letzte Gast gegangen war und die Beklagten zu Bett gegangen waren, wurde der Nachbar D, der in dem Haus S-Straße 10d wohnte, durch einen lauten Knall infolge des Berstens der Terrassentür am Haus der Beklagten geweckt. Er stellte fest, dass am Dach und im Bereich der Terrasse Flammen loderten und alarmierte und 2.43 Uhr die Polizei. Die Feuerwehr konnte nicht mehr verhindern, dass das Feuer auf die beiden links und rechts angrenzenden Reihenhäuser übergriff. Wegen des Brandschadens am Haus S-Straße 10d des Nachbars D führte die S Versicherung als Wohngebäudeversicherung einen Parallelrechtsstreit gegen die Beklagten (Az. 7 O 464/08 LG Bielefeld). In diesem Rechtsstreit geht es um die am Reihenendhaus S-Straße 10f der Familie Y verursachten Brandschäden.

An der Terrasse des Hauses der Beklagten befand sich ein Abstellraum zur Seite des Hauses 10e, über den das Satteldach heruntergezogen war. Die Dachsparren endeten dort mit einem Dachüberstand etwa 80 cm oberhalb des Bodens an der gemauerten Außenwand. Etwa 20 cm über dem Boden war außen an der Wand des Abstellraums eine Zweifachsteckdose angebracht. Das Stromkabel führte durch die Außenwand in den Abstellraum und dort zu einem Schalter, mit dem die Steckdose ein- und ausgeschaltet werden konnte. An der Außensteckdose waren an dem Abend eine Teichpumpe und eine weitere Dreifachsteckdose angeschlossen. In die Dreifachsteckdose waren wiederum ein Verlängerungskabel zu einem Radiogerät, eine Außenlampe und eine Lichterkette eingesteckt. Ein transportabler Metallgrill stand neben dem kleinen Gartenteich. Ein weiterer, baugleicher Metallgrill befand sich unter dem Dachüberstand an der Außenwand des Abstellraums.

Die Klägerin hat behauptet, in ihrer Eigenschaft als Wohngebäudeversichung Schäden am Nachbarhaus der Familie Y (S-Straße 10 f.) ersetzt zu haben, die durch den Brand und die übergreifenden Flammen entstanden seien. Nachdem die Beklagten zunächst das Bestehen eines Versicherungsvertrages bestritten hatten, haben sie die Aktivlegitimation der Klägerin im Senatster...

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