Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen der durch einen Brand auf dem Nachbargrundstück (hier: Verbrennung von Baumischabfällen) hervorgerufenen Entwicklung von Rauchgasen.

2. Lässt sich nicht ausschließen, dass die vom benachbarten Grundstück ausgehende Rauchgasentwicklung auf die Brandstiftung eines unbekannten Dritten zurückgeht, ist der Eigentümer des Nachbargrundstücks bei wertender Betrachtung in der Regel nicht als Störer anzusehen.

3. Zu den Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises für eine Selbstentzündung als Brandursache in einem solchen Fall.

 

Normenkette

BGB § 906 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Urteil vom 11.08.2009; Aktenzeichen 1 O 247/08 ER)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Aschaffenburg vom 11.8.2009 - 1 O 247/08 ER, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht Zahlung wegen eines Schadens, der nach ihrer Darstellung durch Rauch- und Rußentwicklung infolge eines Brandes entstanden ist.

Die Beklagte ist die Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Firma A. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin), die auf dem Grundstück B-Straße in C. ein Entsorgungsunternehmen betrieb. Zu diesem Zweck hatte die Insolvenzschuldnerin dort ca. 900 Tonnen Baumischabfälle gelagert, die in der Nacht des 19.7.2006 in Brand gerieten. Nach der klägerischen Darstellung zogen bei dem Brand entstehender Rauch und Ruß auch in Richtung des unweit gelegenenen Betriebsgeländes der Firma D. GmbH & Co. KG (nunmehr: E. GmbH & Co. KG; im Folgenden: Versicherungsnehmerin), die dort Nahrungsmittel (Fertigtee; Müsliriegel; Süßstoffe) produziert. Die Versicherungsnehmerin nahm in der Folge die Klägerin aus einem Transport- und Lagerversicherungsvertrag mit der Begründung in Anspruch, durch die Rauchgase seien Waren und Vorräte kontaminiert worden und ein Produktionsausfall entstanden. Den Schaden bezifferte sie dabei auf 256.487,76 EUR. Die Klägerin erbrachte daraufhin an ihre Versicherungsnehmerin Versicherungsleistungen i.H.v. 208.478,78 EUR und wandte an Schadensermittlungskosten 17.894,87 EUR auf. Die Versicherungsnehmerin hat sämtliche vertraglichen und außervertraglichen Rechte gegen Dritte aus diesem Schadensfall an die Klägerin abgetreten (vgl. Bl. 20 d.A.).

Die Klägerin machte in erster Instanz geltend, die Insolvenzschuldnerin hafte der Versicherungsnehmerin jedenfalls als Zustandsstörerin auf Schadensersatz. Als Grundstückseigentümerin und -nutzerin sei sie für die Anhäufung der Baumischabfälle verantwortlich und habe diese gegen eine ungewollte Entzündung schützen müssen. Zudem habe die abgelagerte Menge weit über der mit der behördlichen Zulassung ausgesprochenen Grenze von 100 Tonnen gelegen. Eine externe Brandstiftung scheide aus; daher sei unerheblich, dass die Brandursache polizeilich nicht habe geklärt werden können. Die Klägerin forderte von der Beklagten abgesonderte Befriedigung aus dem Betriebshaftpflichtverhältnis der Insolvenzschuldnerin mit ihrem Haftpflichtversicherer, der X. Versicherungs AG, i.H.v. 256.487 EUR zzgl. Schadensermittlungskosten i.H.v. 17.894,87 EUR und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3.686,62 EUR. Soweit sie Leistungen an die Versicherungsnehmerin erbracht hat, stützte sie ihren Anspruch auf Regress; im Übrigen klagte sie aus abgetretenem Recht.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

1. die Beklagte auf abgesonderte Befriedigung, beschränkt auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer, X. Versicherungs AG, aus dem Versicherungsschein 1xxx (Schadens-Nr.: yyy) zu verurteilen, an die Klägerin 256.487 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.11.2006 sowie weitere 17.894,87 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagte weiterhin auf abgesonderte Befriedigung, beschränkt auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer, X. Versicherungs AG, aus dem Versicherungsschein 1xxx (Schadens-Nr.: yyy) zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.686,62 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat in erster Instanz Klageabweisung beantragt. Sie bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin. Eine Umweltgefährdung habe nicht vorgelegen, die behauptete Kontaminierung sei spekulativ. Weil offensichtlich eine Brandstiftung vorgelegen habe, scheide die Versicherungsnehmerin als Störerin aus.

Das LG hat die Klage mit dem angegriffenen Endurteil vom 11.8.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Brandursache und damit auc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?