Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeld trotz überwiegenden Eigenverschuldens
Leitsatz (amtlich)
Kein Wegfall des Anspruchs auf Schmerzensgeld wegen überwiegenden Eigenverschuldens.
Normenkette
BGB §§ 254, 823, 847
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 4 O 167/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels i.Ü. – das am 3.2.2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Arnsberg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger ein Schmerzensgeld von 25.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8.5.1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger 1/3 des gesamten materiellen Schadens aus dem Unfall vom 20.7.1997 auf der N.-Straße, W., zu ersetzen, soweit solche Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind, ferner den weiteren zukünftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung einer Eigenverantwortlichkeit des Klägers von 2/3.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger zu 2/3 und den Beklagten zu 1/3, die Kosten des zweiten Rechtszuges dem Kläger zu 7/11 und den Beklagten zu 4/11 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Parteien: unter 50.000 DM.
Tatbestand
Materiellen und immateriellen Schadensersatz verlangt der Kläger aus Anlass eines Verkehrsunfalles vom 20.7.1997, bei dem er als Fußgänger im damaligen Alter von 17 Jahren erheblich verletzt wurde.
Gegen 3.00 Uhr befuhr der Beklagte zu 1) an diesem Sonntag mit dem bei dem Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Sattelzug seines Arbeitgebers innerorts Z. die B 236 in östlicher Richtung. Auf dem südlichen Gehweg standen der Kläger sowie die Zeugen K. und B. Diese drei Personen waren zuvor von einem Schützenfest gekommen und unterhielten sich miteinander. Spaßeshalber bot der Zeuge K. dem Kläger 10.000 DM, falls dieser noch vor dem herannahenden Lkw die Fahrbahn überquere. Hierauf begab sich der Kläger mit hochgerissenen Armen auf die Fahrbahn, verharrte hier kurze Zeit und lief sodann weiter zum nördlichen Gehweg. Der Beklagte zu 1) lenkte auf die linke Fahrbahnhälfte und bremste schließlich. Gleichwohl wurde der Kläger noch vor Erreichen des Gehweges von der linken Lkw-Front erfasst und auf den Gehweg geworfen.
Der Kläger zog sich unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen intracerebralen Einblutungen zu, deretwegen er wiederholt längerer stationärer Rehabilitationsbehandlungen bedurfte. Inzwischen hat er das Gymnasium aus der 12. Klasse verlassen und eine Lehre als Bürokaufmann begonnen.
Der Kläger hat ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) auf die nördliche Fahrbahnhälfte ausgewichen sei, habe er, der Kläger, nicht wahrgenommen, weil er zu den beiden Zeugen auf dem südlichen Gehweg geschaut habe. Er hat gemeint, der Beklagte zu 1) habe den Unfall verschuldet, weil er zu schnell gefahren sei und außerdem zu spät und falsch reagiert habe.
Die Beklagten haben eine 50 km/h übersteigende Geschwindigkeit des Lkw bestritten und geltend gemacht, der Beklagte zu 1) habe sofort und situationsangemessen reagiert, so dass den Beklagten zu 1) kein Unfallverschulden treffe. Im Übrigen stehe so erhebliches Eigenverschulden des Klägers im Vordergrund, dass dieser seinen Schaden selbst tragen müsse.
Das LG hat nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen B. und K. sowie Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen G. die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger 1/3 seines materiellen Schadens zu ersetzen. Unfallverschulden des Beklagten zu 1) liege darin, dass dieser nicht sofort mit einer Bremsverzögerung reagiert habe, als der Kläger in auffälliger Haltung auf die Fahrbahn getreten sei. Allerdings habe sich der Kläger mutwillig selbst gefährdet und müsse daher eine Anspruchskürzung um 2/3 hinnehmen. Immaterieller Schadensersatz stehe dem Kläger nicht zu, weil es angesichts der Selbstgefährdung des Klägers nicht der Billigkeit entspreche, die Beklagten für den immateriellen Schaden haften zu lassen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages sein Klageziel weiter, wobei er sich jedoch hälftiges Mitschulden anrechnen lassen will. Trotz dieses Mitverschuldens hält er ein Schmerzensgeld von mindestens 70.000 DM für angemessen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet seien, als Gesamtschuldner ihm auf Grundlage einer Quote von 50 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden – letztere, soweit sie nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat entstehen – aus dem Unfall vom 20.7.1997 auf der N.-Straße in W. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige D...