Leitsatz (amtlich)

Anforderungen an den Nachweis der Verwirklichung einer Tiergefahr i.S.d. § 833 Satz 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 833 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 23.09.2011; Aktenzeichen 1 O 306/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.9.2011 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden wegen eines Reitunfalls, der sich am 28.12.2007 während eines Ausritts der Klägerin mit dem Pferd der Beklagten namens "U" in einem Waldgebiet bei Z ereignete und bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem das LG die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin vermöge nicht den Beweis des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 833 S. 1 BGB zu führen, insbesondere dass die Körperverletzung "durch ein Tier" verursacht worden sei und sich eine spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Sie habe keine Erinnerung an das Unfallgeschehen und es gebe dafür keine Zeugen. Es kämen mehrere Möglichkeiten in Betracht, weshalb sie zu Sturz gekommen sein könne. Gegen welches Hindernis die Klägerin geprallt sei und wo sich dieses befunden habe, sei nicht feststellbar. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie beim Reiten aufgrund einer momentanen Unaufmerksamkeit einen tief hängenden Ast übersehen habe. Möglich sei auch, dass ein Ast plötzlich herabgestürzt sei und die Klägerin getroffen habe. Auch wenn die von ihr erlittenen Verletzungen auf eine hohe Geschwindigkeit des Pferdes hindeuteten, könne auch bei einer grundsätzlich besonnenen Reiterin nicht ausgeschlossen werden, dass sie einer plötzlichen Eingebung folgend in schnellen Galopp gewechselt sei. Schließlich sei es nicht gerechtfertigt, die Anforderungen an die der Klägerin obliegende Beweislast zu reduzieren, weil sie sich in Beweisnot befinde.

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter. Sie wendet sich mit näheren Ausführungen gegen die Tatsachenfeststellungen des LG. Es habe ihren Tatsachenvortrag übergangen sowie Aufklärungs- und Hinweispflichten und damit ihr rechtliches Gehör verletzt. Das angefochtene Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Zwischen den Parteien sei nicht streitig, wo die Klägerin auf dem Reitweg innerhalb des Waldgebiets hinter dem Ortsteil Z verunfallt sei. Sie sei unmittelbar am Rand des Waldwegs/Reitwegs zwischen der Bahnstrecke und dem C-Weg in Blickrichtung I gefunden worden. Die Zeugen Dr. H, H2 und Dr. M hätten ergänzende Angaben zur Beschaffenheit des Geländes bzw. der Stelle machen können, an der die Klägerin verunfallt sei. Ebenso hätte das Kollisionsobjekt durch die Zeugen weiter konkretisiert werden können. Zudem habe die Beklagte die Unfallörtlichkeit nach dem Unfall selbst in Augenschein genommen. Die Klägerin habe sich unstreitig auf einem eigens dazu vorgesehenen Reitweg befunden. Das LG habe es ferner versäumt, sie selbst zur Unfallstelle zu befragen. Aus dem Schreiben des Dr. H vom 19.11.2008 (Anlage K 6) ergebe sich, dass sie lediglich keine Angaben zum eigentlichen Unfall machen könne, außer aber zu der Tatsache, dass das Pferd plötzlich gescheut habe und durchgegangen sei; schon im nächsten Moment sei dann der Unfall erfolgt und weitere Erinnerungen seien bis heute nicht vorhanden. Sie verfüge daher über eigene - wenn auch nur unvollständige - Erinnerungen. Sie habe nur partielle Erinnerungslücken. Ferner sei sie nicht etwa auf dem Reitweg liegend, sondern unmittelbar neben dem Reitweg am Übergang zum normalen Waldgebiet bzw. zu Gebüschen gefunden worden.

Es sei unstreitig, dass sie gegen einen Ast geprallt und hierdurch aus dem Sattel gestürzt sei. Das werde auch durch die eingetretenen Verletzungen, insbesondere durch die großflächige Skalpierungsverletzung, belegt. Damit habe sich das LG nicht auseinander gesetzt. Es habe auch nicht die Eigenanamnese der Klägerin im nervenärztlichen Gutachten vom 29.1.2010 (Anlage K 16) gewürdigt. Sie habe lediglich angegeben, sie habe an das Ereignis selbst keine Erinnerung, aber auch geschildert, dass sie auf der Erde liegend aufgewacht sei und bemerkt habe, dass eine starke Kopfblutung vorhand...

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