Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfahrgebot im Kreisverkehr
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 19.03.2003; Aktenzeichen 1 O 622/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.3.2003 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Arnsberg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 3.337,97 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 12.7.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung wird i.Ü. zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 65 % und die Klägerin zu 35 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO):
Die Klägerin verlangt Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich in einem einspurigen Kreisverkehr mit vier Zubringerstraßen ereignet hat, kurz nachdem sie in den Kreisel hineingefahren ist. Das vom Beklagten zu 1) gesteuerte Kraftfahrzeug rammte den Pkw der Klägerin im linken hinteren Bereich, nachdem der Beklagte zu 1) die von der Klägerin aus gesehen in Fahrtrichtung vorherige Zufahrt in den Kreisel benutzt und – unstr. – über die gekennzeichnete Mittelinsel des Kreisels hinweggefahren war, weil er die von ihm aus gesehen in gerader Richtung gegenüberliegende Ausfahrt benutzen wollte. Die Parteien streiten darüber, welches Fahrzeug sich zuerst im Kreisverkehr befunden hat. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung hat im erkannten Umfang Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von zwei Dritteln des ihr anlässlich des Verkehrsunfalls vom 27.1.2002 entstandenen Schadens gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 StVG, 3 PflVG.
Das LG ist zwar davon ausgegangen, die Klägerin sei erst nach dem Beklagten zu 1) in den Kreisverkehr eingefahren. Insoweit ist der Senat jedoch an die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht gebunden. Der Tatbestand ist in sich widersprüchlich und entfaltet keine Beweiskraft i.S.d. § 314 ZPO (vgl. BGH NJW 1999, 1339). Zwar ist die besagte Feststellung in seinem unstr. Teil enthalten, bei der Darstellung des str. Vorbringens der Klägerin ist jedoch deren Behauptung wiedergegeben, sie habe an der Einmündung angehalten und niemanden bemerkt. Wenngleich es damit an der Darstellung der eigentlich wesentlichen Behauptung der Klägerin, sich zuerst im Kreisverkehr befunden zu haben, fehlt, ergibt sich deshalb auch aus dem Tatbestand selbst, dass die Klägerin behaupten wollte, es habe sich kein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug im Kreisverkehr befunden.
Nach dem Ergebnis des vom Senat deshalb eingeholten Sachverständigengutachtens haben beide Parteien den Unabwendbarkeitsnachweis i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG bereits aus dem Grunde nicht geführt, weil nicht festgestellt werden kann, welches der Kraftfahrzeuge zuerst in den Kreisverkehr gefahren ist. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, aus technischer Sicht sei keine der von den Parteien geschilderten Varianten als wahrscheinlicher anzusehen.
Mit diesem Ergebnis lässt sich aber nicht die Abweisung der Klage rechtfertigen. Nach st. Rspr. dürfen bei der Ausgleichspflicht mehrerer Unfallbeteiligter gem. § 17 StVG nur tatsächlich bewiesene Umstände herangezogen werden. Daraus folgt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen, dass im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung jeweils der eine Halter die Umstände zu beweisen hat, die dem anderen zum Verschulden gereichen. Bleiben die Unfallursache und damit die ein Verschulden ergebenden Umstände ungeklärt, kommt bei gleicher Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge eine hälftige Schadensteilung in Betracht (BGH v. 13.2.1996 – VI ZR 126/95, MDR 1996, 907 = NJW 1996, 1405 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat der ungeklärte Streit der Parteien darüber, wer zuerst in den Bereich des Kreisverkehrs gefahren ist, also nicht zur Folge, dass eine der Parteien voll, die andere dagegen nicht haftet. Die Unaufklärbarkeit des Geschehens geht vielmehr grundsätzlich zu Lasten beider Parteien.
Dennoch kommt eine gleichmäßige Schadensteilung im Streitfall nicht in Betracht. Denn in die Abwägung sind hier besondere Umstände einzubeziehen, nach denen ein Verschulden des Beklagten zu 1) und eine damit verbundene erhöhte Betriebsgefahr des von ihm gesteuerten Fahrzeugs festzustellen ist. Der Beklagte zu 1) hat eingeräumt, die Mittelinsel des Kreisels befahren und damit gegen § 9a Abs. 2 StVO verstoßen zu haben. Das Schneiden der durch die Kreisfahrbahn beschriebenen Kurve unter Mitbenutzung der Mittelinsel ist grundsätzlich verboten (Hentschel, 37. Aufl., § 9a StVO, Rz. 14). Ein Ausnahmefall i.S.v. § 9a Abs. 2 StVO liegt nicht vor.
Der Sachverständige hat hierzu im Termin ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) den Unfall hätte vermeiden können, wenn er der kreisförmig verlaufenden Fahrbahn gefolgt und hierbei nicht scharf an der linken Fahrbahnbegrenzung entlanggefahren wäre. Wäre der Beklagte dagegen unter Ausnutzung der vollen Fahrbahnbreite an deren äußersten linken Rand gefahren,...