Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 29.01.2016; Aktenzeichen 3 O 41/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.01.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Hagen abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines PKW Y aufgrund des Unfallgeschehens vom 14.01.2013 gegen 16.10 Uhr auf der Straße "K" in P kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 2, 9, 9a, 47 Abs. 1 StrWG NW, § 1 Abs. 2 Straßenreinigungsgesetz NW zu.
Die Beklagte hat ihre Amtspflichten nicht verletzt, indem sie am Schadenstage bis zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Winterdienst auf der Straße vornahm.
Den Gebietskörperschaften obliegt als Folge der allgemeinen, in Nordrhein-Westfalen hoheitlich ausgestalteten Pflicht zur Erhaltung der Verkehrssicherheit auf den öffentlichen Straßen die Pflicht, innerhalb geschlossener Ortschaften bei Vorhandensein von Schnee- und Eisglätte Räum- und Streumaßnahmen durchzuführen. Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Danach sind Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs (vgl. BGH, VersR 1991, S. 665; OLG Brandenburg, MDR 2010, S. 809). Gefahren, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerichteter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, hat der Sicherungspflichtige durch Schneeräumen und Abstreuen mit abstumpfenden Mitteln zu beseitigen (vgl. BGH, VersR 1985, S. 568; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.07.2000 zu 19 U 170/99, veröffentlicht bei juris). Allerdings gilt die den Kommunen obliegende Räum- und Streupflicht nicht uneingeschränkt, sondern steht sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unter dem Vorhalt des Zumutbaren, sodass es namentlich auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (vgl. BGH, NJW 2003, S. 3622). Zudem hat sich jeder Verkehrsteilnehmer gerade im Winter den ihm erkennbar gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen (vgl. OLG München, Urteil vom 22.07.2010 zu 1 U 1804/10 und OLG Koblenz, Urteil vom 27.10.2010 zu 1 U 170/10, jeweils veröffentlicht bei juris).
Schon im Bereich geschlossener Ortschaften ist anerkannt, dass eine Streu- und Räumpflicht eine allgemeine Glättebildung voraussetzt und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen (vgl. BGH, NJW 2009, S. 3302). Zunächst sind die Fahrbahnen der Straßen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen bei Glätte zu bestreuen. Zu den wichtigen Verkehrsflächen in dem genannten Sinne zählen vor allem die verkehrsreichen Durchgangsstraßen sowie die vielbefahrenen innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen (vgl. BGHZ 112, S. 74). Erst danach sind die weniger bedeutenden Straßen- und Wegestrecken zu sichern. Bei öffentlichen Straßen außerhalb der geschlossenen Ortslage sind die für den Kraftfahrzeugverkehr besonders gefährlichen Stellen zu bestreuen (vgl. BGH, VersR 1995, S. 722). Auf wenig befahrenen Straßen besteht grundsätzlich keine Räum- und Streupflicht, sofern nicht besonders gefährliche Stellen bekannt sind, auf die sich der Straßennutzer nicht einstellen kann (vgl. OLG München, OLGR 2005, S. 754; OLG Braunschweig, NZV 2006, S. 586; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Aufl., Rdn. 552).
Eine besonders gefährliche Stelle liegt vor, wenn der Straßenbenutzer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und damit zu fordernder erhöhter Sorgfalt den die Gefahr bedingenden Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deshalb die Gefahr nicht meistern kann (BGH, Beschluss v. 20.10.1994 - III ZR 60/94 -, veröffentlicht bei juris; BGH, Beschluss v. 26.03.1987 - III ZR 14/86, BeckRS 1987, 30390074, beck-online; BGH, Urteil v. 13.12.1965 - III ZR 99/64 -, juris; OLG Braunschweig, NZV 2006, S. 586; OLGR München 2005, S. 754; OLG Brandenburg, Urteil v. 22.06.2004 - 2 U 36/03 -, juris; OLG Hamm NVwZ-RR 2001, S. 798; OLG Karlsruhe, Urteil v. 11.07.1997 - 10 U 71/97, BeckRS 1997, 15938, beck-online; s. auch: OVG Münster NVwZ-RR 2014, 816; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StVO § 45 Rn. 57, 62; Hager in: Staudinger, BGB Neubearbeitung 2009, BGB § 823 E, Rn. E 136). Demgegenüber liegt eine besonders gefährliche Stelle dann nicht vor, wenn ein umsichtiger Kraftfahrer unter Berücksichtigung der bei winterlichen Temperaturen gebotenen Vorsicht mit dem Auftreten von Glätte an der konkreten Stelle rechnen musste und die Gefahr der Stelle auch erkennbar war.
Dabei ist davon auszugehen, da...