Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze der Auge- und Ohrrechtsprechung gelten auch dann, wenn der Mitarbeiter eines Finanzdienstleisters in Untervollmacht eines Agenten den Antrag aufnimmt.
Normenkette
VVG § 43
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 15 O 184/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das am 13.12.2001 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 9.796,86 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 3.265,62 Euro seit dem 1.10.2000, auf weitere 3.265,62 Euro seit dem 1.1.2001 und auf weitere 3.265,62 Euro seit dem 1.4.2001 zu zahlen;
b) ab dem 1.7.2001 bis längstens 1.10.2020 eine jährliche Rente von 13.062,48 Euro, zahlbar in vierteljährlichen Teilbeträgen von je 3.265,62 Euro jeweils zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines jeden Jahres im Voraus zzgl. planmäßiger Überschussbeteiligungen zu zahlen.
2. Es wird festgestellt,
a) dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1.10.2000 bis längstens 1.10.2020 von den Beitragszahlungen für die Lebensversicherung VS-Nr. … 11/1 freizustellen;
b) dass der o.g. Versicherungsvertrag entgegen der Rücktrittserklärung der Beklagten vom 19.12.2000 besteht.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der jeweils zu vollstreckenden Beträge abzuwenden, falls nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) auf Gewährung bedingungsgemäßer Leistungen (vierteljährliche Rentenzahlung und Beitragsbefreiung; vgl. Versicherungsschein vom 6.10.1997 – Bl. 16 ff. d.A. und AVB – Bl. 222 ff. d.A.) ab 22.9.2000 in Anspruch.
Unstreitig ist sie seit dem genannten Zeitpunkt in ihrem Beruf als Berufskraftfahrerin im eigenen Gütertransportbetrieb wegen Encephalomyelitis disseminata (im Folgenden E.d.) bedingungsgemäß zu mindestens 50 % berufsunfähig.
Die Beklagte hält sich aufgrund eines von ihr mit Schreiben vom 19.12.2000 (Bl. 38 f. d.A.) erklärten Rücktritts für leistungsfrei. Sie hat behauptet, die Klägerin habe bei Antragstellung (August – Oktober 1997) verschwiegen, dass sie im Mai 1997 wegen Visusstörungen neurologisch untersucht und in diesem Zusammenhang am 12.5.1997 eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt worden sei, die einen Verdacht auf E.d. ergeben habe.
Die Klägerin hat demgegenüber behauptet, die Verdachtsdiagnose Multiple Sklerose (= E.d.) sei ihr bei Antragstellung noch unbekannt gewesen; die Diagnose sei erstmals während eines Klinikaufenthalts im Mai 1999 gestellt und ihr mitgeteilt worden. Sie habe dem Vermittler K. weder die o.g. ärztlichen Untersuchungen noch deren Anlass und Ergebnis verschwiegen. Da diese Untersuchungen nach ihrem damaligen Wissensstand jedoch ohne Befund gewesen seien und sie dies dem Vermittler auch gesagt habe, habe er dies als „Routineuntersuchungen ohne Befund” in den Antragsunterlagen vermerkt.
Durch das angefochtene Urteil, auf das verwiesen wird (Bl. 117 ff. d.A.), hat das LG die Klage abgewiesen. Es hat den Rücktritt der Beklagten für begründet erklärt und dabei die Auffassung vertreten, der Vermittler K. sei bei Antragsaufnahme nicht als Agent der Beklagten tätig geworden, so dass das von ihm angeblich erlangte Wissen dem Versicherer nicht zuzurechnen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie – unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens – ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie hält mit näherer Begründung die „Auge und Ohr”-Rechtsprechung für anwendbar.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung VS-Nr. … einen Betrag von 10.118,93 Euro (= 19.790,91 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 3.587,69 Euro (= 7.016,91 DM) seit dem 1.10.2000, auf 3.265,62 Euro (= 6.387 DM) seit dem 1.1.2001 und auf 3.265,62 Euro (= 6.387 DM) seit dem 1.4.2001 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1.6.2001 bis längstens zum 30.9.2020 eine jährliche Rente i.H.v. 13.062,49 Euro (= 25.548 DM) zahlbar in vierteljährigen Teilbeträgen von je 3.265,62 Euro ( = 6.387 DM) jeweils zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines jeden Jahres im Voraus zu zahlen sowie zzgl. planmäßigen Überschussbeteiligungen der Beklagten zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 22.9.2000 bis längstens 1.10.2020 von den Beitragszahlungen für die bei der Beklagten bestehenden Lebensversicherung VS-Nr. 3.225.531.012/L 11/1 freizustellen,
4. festzustellen, dass die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 19.12.2000 unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Vermittler K. als selbstständiger Mitarbeiter des … ...