Leitsatz (amtlich)
›Ein Agent, der im Rahmen der Beantragung einer Risiko-Lebensversicherung mit Wissen und Billigung des Versicherungsnehmers dem Versicherer gefahrerhebliche Umstände vorenthält (hier: Brustkrebsoperation der Gefahrsperson), kann nicht mehr als "Auge und Ohr" des Versicherers angesehen werden (kollusives Zusammenwirken hier bejaht).‹
Gründe
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer von ihm auf das Leben seiner Ehefrau genommenen Risiko-Lebensversicherung auf Zahlung eines Teilbetrages von 20.000,00 DM der vereinbarten Versicherungssumme von 125.000,00 DM in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin ist am 31.01.1997 an einem Krebsleiden verstorben.
Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 07.03.1997 ist sie vom Versicherungsvertrag mit der Begründung zurückgetreten, bei Antragstellung am 17.01.1994 sei verschwiegen worden, daß Frau im Juni 1993 an Brustkrebs erkrankt und operativ behandelt worden ist.
Der Kläger behauptet, dies sei dem Agenten aufgrund persönlicher Bekanntschaft bereits bekannt gewesen und überdies bei Antragstellung auch erörtert worden. Aufgrund der ihm mitgeteilten günstigen ärztlichen Prognose habe der Agent es nicht für notwendig gehalten, dies im Antrag festzuhalten.
Das Landgericht hat die Klage ohne Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen und dies damit begründet, der Klagevortrag lasse ein kollusives Zusammenwirken der Eheleute mit dem Agenten zum Nachteil der Beklagten erkennen.
Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers, der sich auch in der Berufungsinstanz auf eine Teilklage beschränkt, hatte keinen Erfolg. Der Versicherer ist zu Recht vom Versicherungsvertrag der vom Kläger auf das Leben seiner Ehefrau genommenen Risiko-Lebensversicherung zurückgetreten (§ 16 ff. VVG).
Unstreitig ist die Gesundheitsfrage zu 2. ("Sind Sie in den letzten 5 Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden?") im Antragsformular vom 17.01.1994 unrichtig beantwortet worden.
Zwar ist weder das Ja- noch das Nein-Kästchen angekreuzt. Aus der insoweit maßgeblichen Sicht eines geschulten durchschnittlichen Antragssachbearbeiters der Beklagten war dies gleichwohl nicht als unklare Antwort mit der Folge einer Obliegenheit zur klärenden Nachfrage zu verstehen. Aus dem handschriftlichen Eintrag zur nebenstehenden Rubrik ("Wenn Ja, wann? Weshalb? Ergebnis? Von welchem Arzt?"',) ergab sich hinreichend deutlich, daß eine ärztliche Untersuchung der Gefahrsperson stattgefunden hatte. Der diesbezügliche Eintrag lautet nämlich: "Jan. 94 - Routineuntersuchung o.B. - Dr. I.,- Deshalb konnte der für die Antragsprüfung zuständige Sachbearbeiter der Beklagten das Fehlen des Ankreuzens des Ja-Kästchens zur Gesundheitsfrage zu 2. ohne weiteres als offenbares Versehen der das Antragsformular ausfüllenden Person werten.
Verschwiegen wurden im Antragsformular die unstreitigen stationären Behandlungen der Frau im Jahr 1993 (Aufenthalte im Klinikum vom 10. bis 17.05.1993 sowie vom 14. bis 26.06.1993 zur Exstirpation eines in ihrer linken Brust vorgefundenen bösartigen Tumors sowie zur doppelseitigen subkutanen Mastektomie und isolierten axilliärer Lymphonodektonie links (vgl. Ärztliche Bescheinigung Prof. Dr. vom 25.03.1997 - Bl. 14 f. d.A.).
2. Soweit der Kläger behauptet, bei Antragstellung sei mit dem Agenten über die ihm zuvor schon aufgrund privater Kontakte bekannte Krebserkrankung der Frau und die diesbezüglich durchgeführte Operation gesprochen worden, vermag dies die Annahme einer zur Leistungsfreiheit des Versicherers führenden Anzeigeobliegenheitsverletzung nicht auszuschließen.
Die "Auge und Ohr"-Rechtsprechung ist zugunsten des Klägers nicht anwendbar.
Privat erlangtes Wissen eines Agenten ist dem Versicherer nicht zuzurechnen (BGH VersR 1990, 150, 151).
Ob die Krebsoperation der Frau Gegenstand der Antragsverhandlung gewesen ist, hat das Landgericht offen gelassen.
Auch der Senat hat insoweit von einer Beweisaufnahme abgesehen, da die Klage bereits aufgrund des Klagevortrags zum Ablauf der Antragsverhandlung abweisungsreif ist. Die Kenntnis eines mit dem Antragsteller kollusiv, d.h. arglistig zusammenwirkenden Agenten ist dem Versicherer nämlich ebenfalls nicht zuzurechnen. Der Vorwurf arglistigen Zusammenwirkens trifft den Antragsteller dann, wenn er weiß und billigt - bedingter Vorsatz reicht -, der Agent werde erhebliche Umstände dem Versicherer nicht mitteilen, um diesen zur (uneingeschränkten) Annahme des Antrags zu bewegen (Senat NJW-RR 1996, 406, 407; vgl. auch BGH VersR 1993, 1089, 1090; OLG Köln r+s 1991, 320; OLG Karlsruhe r+s 1997, 38; Prölss-Martin, VVG, 25. Aufl., § 22 Anm. 2; Langheidt in Roemer-Langheidt, VVG, § 22 Rdn. 16).
Wenn der Versicherungsnehmer erkennt, daß der Agent beim Ausfüllen des Antragsformulars unkorrekt zum Nachteil des Versicherers handelt, wird ihm deutlich, daß jener sich unmißverständlich von der Wahrung der Interessen des Versicherers gelöst hat und ins Lager des Versicherungsnehmers übergewechselt ist. Dam...