Leitsatz (amtlich)
1. Zur unschlüssigen Darlegung einer allgemeinen Glätte / erkennbarer Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BGH (etwa Urt. v. 2.7.2019 - VI ZR 184/18, r+s 2019, 606 Rn. 10) auf einem Tankstellengelände nach persönlicher Anhörung des Klägers.
2. Gelingt dem Kläger die Darlegung einer allgemeinen Glätte / erkennbarer Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen nicht, kann er sich auch nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen. Erst wenn der Kläger der Darlegungslast genügt und im Bestreitensfall eine Verkehrssicherungspflichtverletzung beweist, spricht nach dem ersten Anschein eine Vermutung dafür, dass sich in dem Unfall im Bereich der Gefahrenquelle gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt die Schutzvorschriften verhindern wollten (im Anschluss an BGH Beschl. v. 26.2.2009 - III ZR 225/08, zfs 2010, 132 Rn. 5).
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 19 O 345/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.11.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld (19 O 345/18) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus den Urteilen vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadenersatz, Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten wegen behaupteter Verletzung einer winterlichen Streu- und Räumpflicht, nachdem er am 26.01.2017 gegen 16:20 Uhr auf dem Tankstellengelände der Beklagten zu Fall gekommen war. Hergang, Ursache und Folgen des Sturzes sind streitig.
Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz einschließlich der gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Bielefeld die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe schon die Existenz einer abhilfebedürftigen Gefahrenquelle nicht dargestellt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, angesichts der unstreitigen winterlichen Verhältnisse und seines unstreitigen Sturzes komme eine andere Ursache als ein Ausrutschen auf einer Glatteisfläche nicht in Betracht. Wegen der schlechten Sichtverhältnisse sei diese für ihn vor dem Sturz schlicht nicht erkennbar gewesen.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des am 25.11.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld (Az: 19 O 345/18) die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber einen Betrag von 50.000,- EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2017 zu zahlen,
2. unter Abänderung des vorbezeichneten Urteils des Landgerichts Bielefeld, die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 107.031,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. unter Abänderung des vorbezeichneten Urteils des Landgerichts Bielefeld festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auch sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden, die auf den Unfall vom 26.01.2017 auf dem Gelände der X-Tankstelle, P-Straße ... in C zurückzuführen sind, zu ersetzen, soweit entsprechende Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,
4. unter Abänderung vorbezeichneten Urteils des Landgerichts Bielefeld, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.874,92 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Der Geschädigte müsse vor allem den Nachweis einer sog. allgemeinen Glätte erbringen, was dem Kläger nicht gelungen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungs- und Erwiderungsvortrags wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Der Senat hat den Kläger und die Beklagte gemäß § 141 ZPO persönlich angehört. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 19.01.2021 (Anlage zum Sitzungsprotokoll, Bl. 218 ff. d.A.) verwiesen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Ansprüche zu.
1. Ein Anspruch auf mat...