Normenkette
HGB § 425 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 22.05.2007; Aktenzeichen 15 O 60/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.5.2007 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des LG Bielefeld - 15 O 60/07 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Klägerin i.H.v. 6.030,60 EUR; die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.)
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 6.030,60 EUR nebst Zinsen zu. Zwar ist die Klägerin aktivlegitimiert, so dass Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Beschädigung der Sonderrotoren auf die Klägerin übergegangen wären. Solche Schadensersatzansprüche bestehen jedoch nicht.
I. Aus § 425 Abs. 1 HGB ergibt sich kein Anspruch. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die aufgrund der vorliegenden Fixkostenspedition gem. § 459 HGB zur Anwendung kommt, liegen nicht vor. Der Schaden ist nicht zwischen der Übernahme zur Beförderung und der Ablieferung entstanden, sondern erst nach der Ablieferung verursacht worden.
1. Die Ablieferung ist ein zweigliedriger Akt, der die Möglichkeit einer durch den Frachtführer ungestörten Sachherrschaft des Empfängers und das Element des Einverständnisses des Empfängers mit der Übernahme der Sachherrschaft umfasst (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 425 HGB Rz. 24). Dementsprechend ist eine Sache dann abgeliefert, wenn der Frachtführer den vollständigen Besitz und Gewahrsam an dem Gut mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Verfügungsberechtigten wieder aufgibt und diesen in die Lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben (BGH TranspR 1980, 94, 95; BGH, TranspR 1982, 11). Diese Voraussetzungen können schon vor der Entladung vorliegen. Ist jedoch der Frachtführer zur Entladung des Frachtgutes verpflichtet, erfolgt die Ablieferung frühestens mit der Beendigung der vertragsgemäßen Entladung (vgl. Koller, a.a.O., § 425 Rz. 27).
a) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Entladung bestand indessen nicht, so dass sich unter diesem Gesichtspunkt keine Auswirkungen auf die Anforderungen an die Ablieferung i.S.d. § 425 Abs. 1 HGB ergeben. Gemäß § 412 Abs. 1 S. 1 HGB traf die Absenderin die Pflicht zum Entladen des Transportgutes, da sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nichts anderes ergibt. Insbesondere bestand keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zum Entladen. Auch eine wirksame Weisung der Empfängerin an die Beklagte zum Entladen nach § 418 Abs. 2 HGB lag nicht vor. Dies scheitert bereits daran, dass eine solche Weisung dem Frachtführer oder dessen Stellvertretern zugegangen sein muss (vgl. Koller, a.a.O., § 427 HGB Rz. 51). Daran fehlt es aber, wenn die Erklärungen - wie hier - lediglich an den Fahrer der Subunternehmerin der Frachtführerin gerichtet worden sind. Demnach kommt es auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob sich das Weisungsrecht des Empfängers abgesehen vom Ablieferungsort auch darauf erstreckt, die Frachtstücke nur an einer bestimmten Stelle der Lkw-Ladefläche zu übernehmen, nicht an. Dass der Fahrer der Unterfrachtführerin tatsächlich bei der Entladung mitgeholfen hat, führt ebenfalls nicht zu einer Ausdehnung des Haftungszeitraumes des § 425 Abs. 1 HGB auf die Entladephase, weil diese Hilfe bei der vorliegenden Fallgestaltung im Verhältnis zur Empfängerin lediglich als bloße Gefälligkeit einzustufen ist (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost-Gass, Handelsgesetzbuch, § 425 Rz. 37). Schließlich folgt der Senat auch nicht der Auffassung der Klägerin, die Regelung des § 427 Abs. 1 Nr. 3 HGB wirke sich auf die Bestimmung des Zeitpunktes der Ablieferung i.S.d. § 425 Abs. 1 HGB aus. Vielmehr handelt es sich bei der Bestimmung des Haftungszeitraumes des § 425 Abs. 1 HGB um eine Frage, die dem Anwendungsbereich des § 427 Abs. 1 Nr. 3 HGB vorgelagert ist (vgl. z.B. Koller, a.a.O., § 427 Rz. 54).
b) Die nach alledem maßgeblichen Voraussetzungen einer Ablieferung bei nicht bestehender Entladepflicht des Frachtführers waren bereits vor der Beschädigung des Transportgutes erfüllt.
aa) Dies gilt zunächst für die erforderliche Sachherrschaft des Empfängers. Da es für die Ablieferung nicht erforderlich ist, dass der Empfänger die Sachherrschaft tatsächlich ausübt, sondern es genügt, wenn er die Möglichkeit erhält, auf das Gut einzuwirken (vgl. Koller, a.a.O., § 425 Rz. 24, 25; Fremuth/Thume, Transportrecht, § 425 Rz. 18; Ebenroth/Boujong/Joost-Gass, a.a.O., § 425 Rz. 33), stehen seiner tatsächlichen Sachherrschaft keine Hinderungsgründe mehr entgegen, wenn das Transportmittel an der Ablieferungsstelle abgestellt wird und der Fahrer die Ladefläche zur Entladung zugänglich macht (Ebenroth/Boujong/Joost-Gass, a.a.O., § 425 Rz. 33 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Koller, ...