Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Schutzimpfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 haben die impfenden Ärzte und Mitarbeiter im Jahr 2021 in Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne gehandelt. Die daraus resultierende Haftungsübernahme des Staates gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG schließt Direktansprüche etwaiger Geschädigter gegen den impfenden Arzt aus.
Normenkette
BGB §§ 280, 630a, 823, 839; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 4 O 163/22) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 27.07.2023 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger (geb.: 00.00.1989) nimmt die Beklagte aufgrund einer seines Erachtens fehlerhaften und unzureichend aufgeklärten Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auf Zahlung von Schmerzensgeld und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden in Anspruch.
Die Beklagte ist niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin in einer Gemeinschaftspraxis in T.. Nach zwei vorangegangenen Impfungen im Mai und Juli 2021 erhielt der Kläger in ihrer Praxis am 00.12.2021 die dritte, s.g. "Boosterimpfung" gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 mit dem Impfstoff "spikevax" der Firma V. durch eine Praxis-Mitarbeiterin, wobei der genaue Ablauf der Impfung sowie die Gespräche vor dieser und den vorangegangenen Impfungen zwischen den Parteien streitig sind.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus Vertrag gemäß §§ 630a, 280, 249, 253 BGB oder Delikt gemäß §§ 823, 831, 249, 253 BGB seien gemäß Art. 34 S. 1 GG ausgeschlossen, da die Beklagte, ihr Praxis-Partner und ihre Mitarbeiterin in Ausübung der ihnen insoweit übertragenen hoheitlichen Aufgaben als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne gehandelt hätten, weshalb die Verantwortlichkeit für ein etwaiges Fehlverhalten allein das Land NRW treffe. Der Staat habe sich im streitgegenständlichen Zeitraum der niedergelassenen Ärzte bedient, um sein Ziel einer möglichst flächendeckenden Impfung der Bevölkerung gegen das Coronavirus zu realisieren. Zur Erreichung dieses Ziels habe die Bundesregierung gemäß § 20i Abs. 3 S. 2 SGB V i.V.m. CoronaImpfVO einen Anspruch jedes Bürgers auf eine entsprechende Schutzimpfung geschaffen. Diesen Anspruch habe der Staat nur durch Heranziehung sämtlicher verfügbaren medizinischen Fachkräfte erfüllen können. Kostenträger der Impfung sei allein der Staat gewesen. Die Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 habe sich insofern grundlegend von anderen Schutzimpfungen unterschieden, bei denen der Staat lediglich eine Empfehlung ausgesprochen habe und bei denen die impfenden Personen als Private hafteten.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge vollumfänglich weiter, wobei er - abweichend von seinem erstinstanzlichen Vortrag - in der Berufungsbegründung ein Schmerzensgeld i.H.v. 800.000,00 EUR für angemessen hält. Dazu behauptet er, dass er infolge der Impfung an einer schwerwiegenden dilatativen Kardiomyopathie mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von lediglich 15 % leide, was zu erheblichen physischen und psychischen Einschränkungen führe und eine Herztransplantation notwendig mache.
Er ist der Ansicht, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Beklagte, der Partner und die Mitarbeiterin der Beklagten bei der streitgegenständlichen Impfung in Ausübung einer ihnen übertragenen hoheitlichen Aufgabe als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne gehandelt hätten. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung die Besonderheiten der durch das SGB V geregelten vertragsärztlichen Versorgung verkannt. § 2 SGB V kodifiziere einen Anspruch des Bürgers auf Zurverfügungstellung medizinischer Leistungen. Obwohl der Vertragsarzt in Erfüllung dieses Anspruchs als ausführendes Organ tätig werde und mit der Krankenkasse nach festgelegten Regeln abrechne, sei allgemein anerkannt, dass er gerade nicht als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne tätig werde. Der Impfanspruch gemäß § 20i Abs. 3 SGB V unterliege derselben Wertung. Daran ändere auch die vom Landgericht angeführte Abrechnung und Finanzierung der Impfung nichts. Vertragsärzte rechneten die im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit erbrachten Leistungen grundsätzlich mit den Körperschaften des öffentlichen ...