Normenkette
AktG §§ 246, 249; BGB § 242; GmbHG § 47 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Siegen (Aktenzeichen 6 O 73/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.12.2016 verkündete Teilurteil des Landgerichts Siegen wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. I. Die Parteien, zwischen denen noch verschiedene weitere Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, streiten unter anderem - soweit in der Berufungsinstanz von Relevanz - um die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses vom 24.06.2016.
Gesellschafter der im Januar 2013 gegründeten Beklagten waren der Kläger zu 30 % und die X Rohrsystem-Technik GmbH zu 70 %. In Ziff. 5.1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages vom 17.01.2013 war vorgesehen, dass über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie den Abschluss, die Änderung und die Beendigung ihrer Dienstverträge die Gesellschafterversammlung durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss entscheiden sollte. Im Übrigen waren nach Ziff. 6.2 des Vertrages alle Gesellschafterbeschlüsse einstimmig mit den abgegebenen Stimmen zu fassen, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag keine andere Mehrheit zwingend vorschrieb. In Bezug auf die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen regelte Ziff. 6.4, dass die Versammlung beschlussfähig sein sollte, wenn mindestens 75 % aller Stimmen vertreten waren und, sollte dies nicht der Fall sein, innerhalb von zwei Wochen eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen sei, die dann ohne Rücksicht auf die vertretenen Stimmen beschlussfähig sein sollte. Hinsichtlich der Regelungen des Gesellschaftsvertrages im Übrigen wird auf dessen als Anlage B 1 zur Akte gereichte Kopie verwiesen.
In der Folge wurde der Kläger - ebenso wie der Geschäftsführer der Mitgesellschafterin, Q - zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Gem. Ziff. 7.3 des zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrags vom 24.01.2016 war die Beklagte jederzeit berechtigt, den Kläger von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung unter Beibehaltung seiner Bezüge freizustellen.
Mit E-Mail vom 01.06.2016 lud der Geschäftsführer Q den Kläger zu einer Gesellschafterversammlung der Beklagten am 09.06.2016 mit dem Tagesordnungspunkt "Freistellung des Geschäftsführers I", und wies dabei darauf hin, dass der Kläger über den Beschlussgegenstand 'Freistellung als Geschäftsführer' "richtiger Auffassung nach nicht stimmberechtigt" sei, was sich aus § 47 Abs. 4 GmbHG ergebe. Da der Kläger am 09.06.2016 nicht erschien, lud der Geschäftsführer Q den Kläger - den Vorgaben des Gesellschaftsvertrages entsprechend - zu einer weiteren Gesellschafterversammlung am 24.06.2016. Zu dieser Versammlung erschien der Kläger erneut nicht. Daraufhin stimmte Q im Namen der X Rohrsystem-Technik GmbH dafür, den Kläger "widerruflich und unter Verrechnung mit etwaigen offenen Urlaubsansprüchen" freizustellen und stellte das Zustandekommen eines entsprechenden Beschlusses in seiner Eigenschaft als Sitzungsleiter fest.
In der Folge - dies ist nicht Gegenstand der Berufung - betrieb die Mitgesellschafterin der Beklagten die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten aus wichtigem Grund; in diesem Zusammenhang stellte Q anlässlich einer Gesellschafterversammlung vom 22.08.2016 das Zustandekommen eines Beschlusses die Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund betreffend fest.
Der Kläger schied mit Ablauf des 31.12.2016 als Gesellschafter der Beklagten aus.
Mit seiner Klage in erster Instanz hat der Kläger, der beide Beschlüsse aus verschiedenen Gründen insgesamt für rechtswidrig gehalten hat, begehrt, diese für nichtig zu erklären, den Beschluss vom 24.06.2016 hilfsweise (Hilfsantrag zu 1.)) jedenfalls insofern, als dieser zum Gegenstand hat, den Kläger unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche freizustellen.
Wegen der (weiteren) Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz wird - auch mit Blick auf § 313a Abs. 1 ZPO - auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
II. Das Landgericht hat im Wege eines Teilurteils über die Wirksamkeit nur des Beschlusses vom 24.06.2016 befunden, die Beklagte insofern auf der Grundlage des Hilfsantrages zu 1.) verurteilt und die Klage in Bezug auf den Hauptantrag zu 1.) abgewiesen.
Soweit es den Hilfsantrag zu 1.) für begründet gehalten hat, hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beschluss vom 24.06.2016 verstoße insofern gegen das Gesetz, als durch die widerrufliche Freistellung des Klägers von der Dienstpflicht noch bestehende Urlaubsansprüche des Klägers gem. § 362 BGB erfüllt werden sollten. Für den Bereich des Arbeitsrechts habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass nur die endgültige, nicht unter Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs führen könne. Vor welchem Hintergrund für einen Geschäftsführer etwas anderes gelten solle, sei nicht erkennbar, da auch dieser die ihm als Urlaub zustehende Freizeit nur dann selbstbestimmt nutzen kön...